Vor einigen Tagen wurden die
Preisträger der diesjährigen Nebula Awards, vergeben von den Science Fiction Writers of America, bekannt gegeben – und wie es der Zufall
will, erschien zeitgleich die deutsche Übersetzung von Michael Chabons Gewinnerroman THE YIDDISH
POLICEMEN’S UNION unter dem Titel DIE VEREINIGUNG JIDDISCHER POLIZISTEN bei
Kiepenheuer & Witsch. Was auf den ersten Blick wie ein Kriminalroman aus
der guten alten Zeit von Raymond
Chandler und Dashiell Hammett
wirkt, erweist sich als veritable Alternativwelt-Science-Fiction: Der Staat
Israel verschwand bereits 1948 von der Landkarte und die jüdischen
Holocaust-Überlebenden erhielten in Sitka, einem
Bezirk in Alaska, ein neues Auffangbecken. Nachdem sie dort über sechzig Jahre
hinweg eine genuin jüdische Lebenswelt aufgebaut haben, wird das fragile
»Staatsgebilde« durch politische Wirren bedroht. Erzählt wird diese alternative
Historie aus der Sicht eines jiddischen Polizisten, dessen aktueller Fall eines
ermordeten Schachspielers offensichtlich die Spitzen von Finanzwelt, Politik
und Geheimdienst beunruhigt. Die ausgefeilte Übersetzung von Andrea Fischer bringt auch das jiddisch-sprachliche Element des Originals zur vollen
Entfaltung. Ein würdiger Preisträger!
Jetzt endlich auch auf Deutsch: GEGEN DEN TAG, das neue Meisterwerk von Thomas Pynchon,
ist soeben, übersetzt von Nikolaus
Stingl und Dirk van Gunsteren, bei Rowohlt erschienen. Der über 1700 Seiten
starke Band wurde ja bereits 2006, bei seinem Erscheinen in den USA,
ausführlich auch in den deutschen Medien besprochen (zumeist noch bevor man ihn
gelesen hatte) und zu einem Meilenstein der amerikanischen Literatur emporgelobt. Nun kann auch das hiesige Publikum Pynchons Genre-Mix aus Spätwestern, Abenteuergeschichte,
politischem Manifest und utopisch-phantastischer Alternativweltstory selbst in
Augenschein nehmen. Allerdings sollte man sich dazu ein paar Monate Zeit
mitbringen.
Einen ganz reizenden Comic gilt es bekanntzumachen: MOUSE GUARD – HERBST
1152 von David Petersen (der
zugleich Autor und Zeichner ist), erschienen bei Cross Kult. Schon das
ungewöhnliche Format (20,5 x 20,5 cm) und die drei an eine Szene aus ROBIN HOOD
erinnernden Mäuse auf dem Einband fallen ins Auge. Wenn man dann erst einmal
einen Blick in das Buch riskiert hat, ist es sowieso zu spät: Kaum einer wird
es schaffen, die Geschichte über eine mittelalterliche Mäusezivilisation vor
der letzten Seite wieder aus der Hand zu legen. Sehr empfehlenswert!
„Ich
erinnere mich gerne daran, wie wundervoll die Welt war, als ich acht oder neun
war. Es ist diese Art von unschuldiger Neugier und unendlichen Möglichkeiten,
in denen ich die größte Schönheit und meisten Anregungen entdecke. Das ist es,
wonach ich in meiner Arbeit am stärksten strebe … der typische
Peter-Pan-Komplex.“
David E. Petersen – MOUSE GUARD