TEMPORAMORES - Newsletter # 152 - 6.5.2010




KURZMELDUNGEN

Der Germanist, Verleger, Autor und Übersetzer Joachim Körber hat unter dem Titel DAS BEKANNTE FREMDE (kuk in der Edition Phantasia, ISBN 978-3-937897-38-7) eine Sammlung mit seinen „Schriften zur Phantastik“ vorgelegt. Auf 240 Seiten belegt Körber in 20 Texten aus den Jahren 1999 bis 2009 seine intime Gattungskenntnis und seine intensive Beschäftigung mit praktisch allen Aspekten des Genres. In Essays, Rezensionen, Vorlesungstexten und Nachworten führt Körber sein Publikum in die Welt der Phantastik ein. Egal ob Stephen King, J. G. Ballard, Raumpatrouille Orion oder James Bond – Körber weiß zu allem etwas Kluges zu sagen. Vor allem bei seinen „Hausautoren“ Philip K. Dick, Ursula K. Le Guin und Fritz Leiber zeigt er sich in Hochform und bringt auf wenigen Seiten ganze Schriftstellerleben auf den Punkt. DAS BEKANNTE FREMDE bietet gut lesbare, fundierte und unterhaltsame Sekundärliteratur – etwas, das es bei uns viel zu selten gibt.

An der Comic-Front wird es langsam unübersichtlich. Die nahezu unüberschaubare Menge an Neuerscheinungen, die von den deutschen Verlagen derzeit Monat für Monat auf den Markt geworfen wird, lässt Böses ahnen. Bevor der Gesundschrumpfungsprozess beginnt, muss man also momentan besonders aufmerksam sein, damit einem die wenigen Perlen nicht entgehen. Bei Schreiber & Leser erschien soeben DIE SANDKORNTHEORIE, das neueste Meisterwerk von Francois Schuiten und Benoit Peeters. Das großformatige Softcover setzt mit einem dunkel-getönten monochromen Einband mit absolutem Understatement ausschließlich auf die Wirkkraft der Autorennamen – im farbigen Einheitsbrei der derzeitigen Comic-Alben-Flut eine echte Wohltat. Schuiten-Peeters erzählen eine weitere phantastisch-philosophische Episode aus ihrem beliebten Zyklus um die „Geheimnisvollen Städte“. Diesmal muss sich Mary von Rathen mit plötzlich auftauchenden Gesteinsbrocken, einer wahren Flut von weißem Sand und einem immer leichter werdenden Koch herumschlagen und gleichzeitig die ratlosen Stadtväter Brüssels beruhigen. Die schwarz-weißen Bilder gewinnen durch eine geschickt gesetzte Seitenfärbung eine faszinierende Ausstrahlung; Szenario und graphische Ausführung zeigen eindrucksvoll, welche Qualitätsebene der franko-belgische Comic immer noch erreicht, wenn echte Meister am Werk sind.

Alle, die wie ich dachten, mit der „Absolute Edition“ von SANDMAN diesen „Fall“ abgeschlossen zu haben, sollten sich unbedingt die Neufassung von DIE TRAUMJÄGER (Vertigo/Panini) ansehen. Was P. Craig Russell da aus Neil Gaimans Erzählung gemacht hat, ist einfach unglaublich gut. Alles Sperrige der ersten Fassung von Yoshitaka Amano ist verschwunden und Russels Adaption lädt geradezu zum „festschmökern“ ein. Und das wunderschöne Umschlagbild hätte ich gerne als Poster in meiner Bibliothek!


ZITAT

„In seinem Einfluss auf Pop- und Gegenkultur muss man Ballard in einem Atemzug mit William S. Burroughs nennen, mit dem er oft in einem Atemzug genannt wurde ...“

Joachim Körber – DAS BEKANNTE FREMDE, S. 225




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