TEMPORAMORES - Newsletter # 156 - 29.8.2010




KURZMELDUNGEN

Der August ist endlich wieder einmal ein Monat, in dem man aus dem Vollen schöpfen kann: Gleich drei tolle Science-Fiction-Taschenbücher stehen neu in den Regalen! Da ist zum Einen der Großmeister des 1. Satzes, Charles Stross, dessen Roman DU BIS TOT (Heyne, 540 S., ISBN 978-3-453-52687-7) mit einem unglaublichen „Wir wissen, wo Sie wohnen, wir wissen, welche Schule Ihr Hund besucht“ eröffnet wird. Der Rest ist Near Futre-Web 3.0-Action pur-Spaß und Spiel vom Feinsten. Und die „Heldin“ trägt den einfallsreichsten Heldinnen-Namen seit Jahrzehnten: Sue Smith.

Wem das zu profan klingt, der kann sich in Adam-Troy Castros SF-Thriller DIE DRITTE KLAUE GOTTES (Bastei-Lübbe, 425 S. ISBN 978-3-404-28541-9) mit den weiteren Abenteuern von Adrea Cort vergnügen, der ultracoolen intergalaktischen Ermittlerin des Diplomatischen Corps. Das großformatige Paperback hat diesmal zwar keine kreisförmige Ausstanzung mehr im Deckel, aber Arndt „Mr. SF“ Drechsler nutzt den Platz innen und außen auf der Klappenbroschur zu ein paar extrem schönen Gemälden. „Kunst am Buch“ darf ja auch mal wieder sein – und sollte in Zeiten, in denen der „Einheitsbrei“ dominiert, ruhig einmal laut gewürdigt werden.

Nicht ganz so aufwendig (aber von Herrn Drechsler immer noch sehr interessant) gestaltet ist der Einband von China Miévilles mit Spannung erwartetem Roman DIE STADT & DIE STADT (Bastei Lübbe, 428 S., ISBN 978-3-404-24393-8). Der momentan wohl beste englische SF-Autor hat sich ein absolut faszinierendes Szenario ausgedacht, in dem zwei Städte mitsamt ihren Einwohnern gleichzeitig an derselben Stelle existieren – und doch total getrennt sind. Die Menschen werden so konditioniert, dass sie einander nicht mehr wahrnehmen. Geheimbehörden und Ausnahmegesetze sollen verhindern, dass die unsichtbaren Grenzen überschritten werden. Doch eines Tages steht Kommissar Borlú bei seinen Ermittlungen zu einem Mordfall vor dem Dilemma, dass der Mörder offenbar aus der „Gegenstadt“ kam – und Borlú übertritt bei seiner Verfolgung mehr als nur eine Grenze… Das Buch erhielt bereits einige internationale Preise und wurde gewohnt souverän von Eva Bauche-Eppers ins Deutsche übertragen.

Wer nach diesem Lese-Marathon den Kopf wieder „frei“ bekommen möchte, dem sei das gleichermaßen schmale wie gehaltvolle Bändchen DER EWIGE ZWEITE (Mitteldeutscher Verlag, 128 S., ISBN 978-3-89812-732-5) von Gregor Eisenhauer empfohlen. In seiner „kleinen Typologie des Lesers“ entwirft Eisenhauer in zehn Kapiteln eine feingeschliffene, hervorragend beobachtete und satirisch überhöhte „Kritik“ an jenen Menschen, die das von Autoren Niedergeschriebene und von Verlagen Veröffentlichte seiner Zweckbestimmung zuführen: an uns Lesenden. Selten hat man so liebevoll einen „schwarzen“ Spiegel vorgehalten bekommen – und muss dem Manne auch noch (hin und wieder) Recht geben.


ZITAT

Kapitel VI. Der gelehrte Leser: „Ausgestorben.“

Gregor Eisenhauer – DER EWIGE ZWEITE. (S. 74)




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