TEMPORAMORES - Newsletter # 165 - 31.1.2011




KURZMELDUNGEN

Licht und Schatten: Im Suhrkamp Verlag erschien soeben mit MUND VOLL ZUNGEN (245 S., suhrkamp taschenbuch 4183, Reihe NEWGOTHIC, Band 2) der erste ins Deutsche übersetzte Roman des amerikanischen SF-Autors Paul Di Filippo. Und anstatt diesem erstklassigen Science-Fiction-Roman ein passendes „Cyberpunk ist tot – es lebe der Ribofunk!“-Label (am besten in Giftgrün) aufzukleben, oder wenigstens ein sattes: „»Die Welt als pornographisches Lachkabinett Arno Schmidt“ auf den hinteren Deckel zu drucken, versucht man in Berlin alles, um dem Leser den Einstieg zu erschweren. Nachdem man den Ekel vor dem unsäglichen Titelbild (und die Abneigung gegen den elitär-großkotzigen Untertitel) überwunden hat, muss man sich erst noch durch ein (gottlob kurzes) Vorwort von NEWGOTHIC-Herausgeber Dietmar Dath kämpfen, bevor man in Di Filippos Zukunftswelt eintauchen darf. MUND VOLL ZUNGEN erweist sich dann als sprachgewandte und ideenreiche Weiterentwicklung erzähltechnischer New Wave-Experimente a la Philip Jose Farmer und Samuel R. Delany, die es vor mehr als vierzig Jahren unternahmen, der ach so prüden Science Fiction mit ein wenig Fleischeslust und Körperflüssigkeitsaustausch ins „wirkliche Leben“ zu verhelfen. Di Filippos sprachgewaltige Erzählung über geldgeile Pharmakonzerne, menschliche Ausschweifungen, die Unterschiede zwischen urbaner Verwahrlosung und tropisch-natürlicher, ausufernder Sexualität, ist eine desillusionierte Zukunftsschau, die uns inzwischen (der Roman erschien in den USA bereits 2002) fast eingeholt hat. Paul Di Filippo gehört gegenwärtig zu den interessantesten amerikanischen Autoren, dass man ihn jetzt hierzulande kennen lernen kann, ist das Verdienst von Dath/Suhrkamp – dass dies nicht ganz einfach ist, allerdings auch.

Mit der Ausgabe 1/2011 (= Heft 41) eröffnet das nach wie vor einzigartige Genre-Magazin phantastisch! (Haveman Verlag, www.phantastisch.net) seinen inzwischen 11. Jahrgang. Die optischen Akzente setzt diesmal das außergewöhnliche Coverbild von Michael Marrak; im Inneren herrscht die für phantastisch! typische Themenvielfalt. Neben zwei Kurzgeschichten von Uwe Post und Martin Rump gibt es drei Interviews mit den bisher in Deutschland kaum bekannten Künstlern Brett Helquist, Alyson Noël und John A. Lindqvist sowie ausführliche Artikel über die Zukunft des Buches, die Deus Ex Machina-Problematik in der SF und die Frage, ob Kindesmissbrauch in Tolkiens Werken eine Rolle spielt. Dazu kommen Portraits von Guy N. Boothby, Voltaire und William Burroughs sowie Berichte aus der Film- und Comic-Welt und jede Menge Kurz-Nachrichten und Rezensionen. Wie immer: Empfehlenswert!


ZITAT

FAZ: „ Ihr Output ist ziemlich eklektisch. Berlin-Popliteratur, Kurzgeschichten, Jugendroman, Thriller …

Herrndorf: „Als Nächstes liegt hier ein Konzept für Science-Fiction rum.“

FAZ: „Ist das Sportsgeist? Oder Langeweile?

Kathrin Passig interviewt Wolfgang Herrndorf in der FAZ vom 29. Januar 2011




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