Nach 28 Jahren und 29 Ausgaben fällt der Abschied nicht leicht: Das seit 1986 im Heyne Verlag veröffentlichte Jahrbuch DAS SCIENCE FICTION JAHR erscheint 2014 zum letzten Mal in der gewohnten Form. Offenbar sieht der Verlag kein ausreichendes (Käufer-)Potential mehr für seinen 1000-seitigen Renommier-Backstein – und reicht (wie durch seine Herausgebermannschaft im Vorwort verkündet) die Fackel weiter an den Berliner Golkonda-Verlag. Wie das dort weitergeht, werden wir also spätestens 2015 erfahren. Bis dahin finden die „unverbesserlichen“ Rest-Käufer und -Leser im diesjährigen Band die gewohnte Komplett-Übersicht über das Genregeschehen des vergangenen Berichtszeitraumes. Kaufempfehlung mit einer Träne im Auge.
Bereits zum dritten Mal legt Rainer Eisfeld im Verlag DvR einen Sammelband mit Essays und Artikeln zur Geschichte der Raumfahrt und der sie begleitenden Science-Fiction-Literatur vor. Dabei pendelt er inhaltlich ZWISCHEN BARSOOM UND PEENEMÜNDE und beschäftigt sich mit so divergenten Themen wie den Mars-Erzählungen von Ray Bradbury, der Qualität der Übersetzungen in frühen deutschen SF-Heftserien, der ersten Frau im Fandom und dem „Mythos Peenemünde“. Das Buch bietet auf über 200 Seiten jede Menge Informationen und kurzweilige Unterhaltung, dazu einen großartigen Bildteil mit seltenen zeitdokumentarischen Aufnahmen.
Darauf haben deutsche Leser mehr als vierzig(!) Jahre gewartet: Ein Sammelband mit Geschichten von Harlan Ellison®. Dafür jetzt aber richtig. ICH MUSS SCHREIEN UND HABE KEINEN MUND (Heyne) bietet auf 670 Seiten zwanzig Erzählungen des Godfather-Of-Storytelling. Und was für Stories! Die zwischen 1965 und 1993 niedergeschriebenen Texte haben, zum Teil mehrfach, alle nur möglichen Literatur-Preise erhalten, die in Amerika vergeben werden. Und so war es für den Herausgeber und Vorwortschreiber Sascha Mamczak sicherlich mehr eine Frage der Quantität als der Qualität aus den mehr als 1700 Kurzgeschichten Ellisons diese Bestenauslese zu treffen. Jede einzelne Geschichte überzeugt inhaltlich und stilistisch auch heute noch vollkommen – und immer noch gibt es keinen Besseren (höchstens ein bis zwei Gleichwertige), wenn es darum geht, die Leser vom ersten Satz an zu packen, sie zu verunsichern, sie aufzurütteln und an ihre Grenzen (und manchmal auch darüber hinaus) zu bringen, nur um sie dann mit einer genialen Schlusswendung davon zu überzeugen, dass sie eben Teil von etwas ganz Großem waren. Mehr davon! Bitte, bitte!!
„Am Spätabend des Tages, an dem sie die
Fensterläden ihrer neuen Wohnung in der East 52nd Street gebeizt hatte, sah
Beth, wie eine Frau auf langsame und grässliche Art im Innenhof ihres
Wohnblocks erstochen wurde. Sie war eine der sechsundzwanzig Zeugen dieser
grauenhaften Szene, und genau wie die anderen unternahm sie nichts, um ihr ein
Ende zu bereiten.“
Harlan Ellison® – „Das Winseln geprügelter Hunde“
in: ICH MUSS SCHREIEN UND HABE KEINEN MUND, S. 247