TEMPORAMORES - Newsletter # 331 - 12.12.2020




KURZMELDUNGEN

Die Beschäftigung mit Comics führt über kurz oder lang immer zu einer Handvoll Namen von Künstlern, die allgemein als Großmeister des Genres bzw. als „Gründungsväter“ („Mütter“ gibt’s ja leider keine) angesehen werden. Ein Name, der dabei niemals fehlen darf, ist der von Winsor McCay, dem Schöpfer von LITTLE NEMO IN SLUMBERLAND, einem Zeitungs-Comic, der es in den USA zwischen 1905 und 1927 auf über 500 Folgen brachte. Im Lauf der Jahre gab es nicht nur eine Reihe von Nachdrucken der Originalcomics, sondern immer wieder auch eigenständige Adaptionen von Künstlern, die sich der Herausforderung stellten, die ein solches Monument bietet. Letzter in dieser Reihe ist der belgische Zeichner und Texter Frank Pé, dessen „LITTLE NEMO – nach Winsor McCay“ (ISBN 978-3-551-79348-5, 80 Seiten, Hardcover im Überformat) soeben bei Carlsen Comics erschienen ist. Pé schafft es von der ersten Seite an, dass man gebannt den neuen Abenteuern des kleinen Helden folgt, bleibt also nicht sklavisch am Original, sondern entwickelt die Figur weiter, führt neue Charaktere ein und überzeugt das Auge des Betrachters durch seine in jedem Strich, in jedem Bild, auf jeder Seite erkennbare Liebe zur Vorlage. Dieser LITTLE NEMO ersetzt die frühen Geschichten natürlich nicht, aber er führt sicherlich neue Leserschichten ans Thema heran und bringt neue Glut in die Herzen der älteren Fans – in unseren kalten Zeiten keine kleine Leistung!

„Gelegenheit macht Diebe“ – so lautet eine uralte Binsenweisheit, die ich hier einmal zur Entschuldigung zitieren möchte, insofern ich die Chance nutzen werde, das Erscheinen von ARNO SCHMIDTs ZETTEL’S TRAUM – EIN LESEBUCH (Suhrkamp, ISBN 978-3-518-80450-6, 254 Seiten, Klappenbroschur) anzuzeigen und damit vermutlich Grummeln und Augenrollen bei all Jenen erzeugen werde, die meine Begeisterung für den Wortwelterbauer aus der Lüneburger Heide nicht in gleichem Maße teilen. Wie der Herausgeber Bernd Rauschenbach in seinem Vorwort schreibt, ist dieses Brevier nicht für Spezialisten gedacht, sondern für Alle, die sich bisher aufgrund irriger Vorurteile nicht an Arno Schmidt und sein Opus Magnum ZETTEL’S TRAUM herangewagt haben. Für diese Menschen gibt es jetzt die Möglichkeit, preisgünstig einen Arno-Schmidt-Schnupperkurs zu belegen und eines der sprachmächtigsten und originellsten Werke der gesamten Literatur kennen zu lernen. (Und falls nicht: Sorry für die „gestohlene“ Zeit!) J



ZITAT

„Selber Comicautor geworden schien es mir interessant, mich Winsor zur gegebenen Zeit zu nähern und ihm Reverenz zu erweisen, indem ich die Abenteuer von Little Nemo auf meine Weise fortführte. Und so habe ich fünfhundertachtundvierzig Seiten gezeichnet – eine weniger als der Meister, denn der Meister ist unerreichbar –, und der Carlsen Verlag legt hier die ersten vor. […] Ich wollte noch einige Thematiken der modernen Welt ausprobieren … […] Aber die zweiunddreißigtausendachthundertsiebenundvierzig Seiten einer andere Serie, an der ich gerade arbeite, hindern mich für den Moment daran.“

Frank Pé; in: Ders. – LITTLE NEMO nach Winsor McCay  (S. 5)



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