Noch ist etwas Zeit, deshalb
an dieser Stelle wieder einmal ein Veranstaltungshinweis: Für die Freunde und
Freundinnen der gepflegten Unterhaltungsliteratur gibt es ja so einige
„Hausgötter“. Zu den bekanntesten und beliebtesten unter ihnen zählt, neben dem
guten Karl May, der Leipziger
Schriftsteller Robert Kraft. Dessen
Adepten laden nun am 12. Oktober 2025 bereits zum fünften Mal zu einem
„Robert-Kraft-Symposium“. Näheres dazu gibt es nachzulesen unter www.robert-kraft.de. Dort gibt es auch
die Möglichkeit, bereits jetzt den umfangreichen Tagungsband, den wie immer der
Kraft-Spezialist Thomas Braatz
zusammengestellt hat, zu bestellen. Enthalten sind in dem quadratischen
Prachtstück 18 Beiträge von 11 Autor*innen (unter ihnen Karlheinz Steinmüller, Thomas Harbach sowie Franziska und Arnulf Meifert)
auf über 300 Seiten. Thematisiert werden u. a. die vorhergehenden Tagungen und
das anstehende Programm. Dazu gibt es, dieses unterstützend, mehrere Interviews
mit Kraft-Sammlern und einem seiner Verleger sowie Essays zu neuen Aspekten im
Leben und Schreiben Krafts, Abrisse und Stammbäume der Verlegerfamilien
Münchmeyer und Fischer und eine sehr ungewöhnliche „HELD:INNEN:REISE“ durch die
neun Monate einer Schwangerschaft – und das alles wieder einmal so gut und
ausführlich bebildert, dass man das Teil gar nicht mehr aus der Hand legen mag.
Natürlich hilft es, Robert Kraft schon zu kennen, aber auch wer einfach mal
„reinschnuppern“ möchte, wird aus diesem Buch viel Wertvolles schöpfen können.
Vom Außenseiter zum absoluten
Mainstream: Ich kann mir gut vorstellen, dass es bei Klett-Cotta einen
Mitarbeiter gibt, der in einem kleinen, wohltemperierten Zimmerchen sitzt und
sich das ganze Jahr über mit der Frage beschäftigt, was man den Fans von J. R. R. Tolkien wohl zu Weihnachten
auf die Wunschliste setzen könnte. Nun, 2025 ist das eine neue Ausgabe von DER
HOBBIT (ISBN 978-3-608-98888-8, 376 S.), natürlich in der Reihe der „Hobbit
Presse“. Kaufanreiz für das großformatige Hardcover mit blauem Halbleinenrücken
bieten diesmal die Illustrationen von Tove
Jansson (1914–2001), einer finnischen Künstlerin, die als Multitalent
sowohl hervorragend Malen, Zeichnen und Schreiben konnte und weltweit seit 1945
als Schöpferin der „Mumins“ bekannt wurde. 1960 illustrierte sie, nach einer
Anregung durch Astrid Lindgren, die
schwedische Neuausgabe des HOBBIT. Die erstmals in einer deutschsprachigen
Ausgabe verwendeten mehr als 20 Strichzeichnungen (plus ein Farbbild) reichen
von Vignettengröße bis zu ganzseitigen dramatischen Szenen und zeigen einen
eigenständigen, selbstbewussten Umgang mit Tolkiens Abenteuer-Geschichte.
Weihnachten kann also kommen, aber in Stuttgart sitzt jetzt schon wieder Jemand
und macht sich Gedanken …
Und noch ganz schnell, bevor
die Ausgabe 15 um Aufmerksamkeit heischt, der Hinweis auf die bereits im Sommer
erschienene Ausgabe 14 von Queer*Welten
(Ach je Verlag, ISBN 978-3-94772-093-4, kartoniert), dem queer-feministischen
SF&F-Magazin von Judith Vogt, Heike
Knopp-Sullivan und Lena Richter.
Auf 110 Seiten finden wir 5 Kurzgeschichten, u. a. von Kai Weidemann und Katja
Rocker, einen Essay von Dr.
Marie-Luise Meier über „Das ungenutzte Potenzial der (literarischen)
Apokalypse“ und 16 Mikrotexte zum (passenden) Thema „Nach dem Ende …“. Das
ansehnliche Cover ist von Mari, die
Redaktion trägt das ihre bei, indem sie ein Vorwort und den beliebten
„Queertalsbericht“ abliefert. Es war wie immer ein Vergnügen, das DIN A5-Heft
durchzulesen – es öffnet so viele Wege und Sichtweisen, die anderswo ungesehen
oder verschlossen bleiben.
Die Krimi-SF-Reihe FINN DEVER
von Bastian Martschink wird von
Golkonda mit dem zweiten Band TÄUSCHUNG (ISBN 978-3-96509-079-8, 408 S.,
Klappenbroschur) fortgesetzt. Das ungleiche Team aus starker Polizistin und
schusseligem Berater mit speziellen (in diesem Fall KI-gestützten) Fähigkeiten,
dessen Zusammenspiel sich im ersten Buch noch entwickeln musste, steht diesmal
vor einem offenbar klaren Vierfach-Mord, der sich jedoch schnell als
inszenierte Falle erweist, aus der sie nur Finn Devers Vorschau-Gabe zu retten
vermag. Und dann meldet sich auch noch ein alter Bekannter – der
„Blackvale-Ripper“! Handlung, Spannung und schwarzer Humor fügen sich in
TÄUSCHUNG zu einem unterhaltsamen Ganzen. Nachdem der Verlag inzwischen von
einer Trilogie spricht, können wir davon ausgehen, dass dieser Serienkiller uns
auch im Abschlussband noch mal begegnet. Hoffen wir also auf eine möglichst
kurze Wartezeit bis dieser erscheint.
Vor etwas mehr als fünf Jahren
betrat die französische Autorin Christelle
Dabos mit ihrem vier Bücher umfassenden Erzählwerk „Die Spiegelreisende“
das Spielfeld der epischen Fantasy. Nun erscheint bei Rotfuchs ihr aktueller
Roman DIE SPUR DER VERTRAUTEN (ISBN 978-3-7571-0222-7, 640 S., Hardcover), der
als Einzelband angelegt scheint und eine Mischung aus dystopischem Gesellschaftsentwurf
und Entwicklungsroman darstellt. Die Protagonist*innen leben in einer Welt, in
der nur das „Wir“ zählt und Individualität gar nicht mehr vorkommen sollte.
Aber wie das halt so ist – wenn etwas schief läuft, sind es immer Einzelne, die
das merken und sich Gedanken machen … Dabos besitzt die Gabe des Erzählens.
Ihre Figuren gehen ans Herz, sind stimmig in ihrer Entwicklung und liebenswert
mit ihren Fehlern. Gute Unterhaltung für alle, die jung genug zum Träumen sind.
Den umgekehrten Switch von der
Science Fiction zur Fantasy macht Paolo
Bacigalupi in dem Roman NAVOLA – DAS ERWACHEN DES DRACHEN (S.Fischer/TOR,
ISBN 978-3-596-71089-8, 800 S., Hardcover). Nach einer längeren Schreibblockade
rettete ihn der Satz „Auf dem Schreibtisch meines Vaters stand ein Drachenauge“
aus diesem Dilemma. Es folgte eine aufwändige Recherche über das alte Italien
zur Zeit der Renaissance, als Kunst und Politik zu bis dahin ungekannten
Ergebnissen führten. Das Ganze vermischt mit einer speziellen Form der
Drachenmagie brachte Bacigalupis Fabulierkunst wieder auf Trab. Die Geschichte
des jungen Davico di Regulai, der als Erbe eines Finanzimperiums zwischen die
Fronten feindlicher Neider gerät, ist wie ein farbenfrohes Breitwandgemälde:
überall gibt es etwas Neues zu entdecken, man genießt den Überblick ebenso wie
die kleinen Details und kann sich gar nicht satt sehen. Am Ende ist man
erschöpft aber glücklich und freut sich auf das nächste Mal.
Neben all dem negativen
Quatsch, der in der sogenannten „realen“ Welt abläuft und einer fast
unüberschaubaren Menge an dystopischen Geschichten, ist es eine unerwartete
Freude, endlich wieder einmal eine Utopie vorgesetzt zu bekommen: ELON &
JEFF ON MARS (Carlsen, ISBN 978-3-551-80572-0, 81 S., Hardcover) von Marc-Uwe Kling (Text) und Bernd Kissel (Bilder). Der (zumindest
von mir) lang erwartete farbige Comic-Roman über das weitere Schicksal zweier
Menschen, die eine neue Form von Zusammenleben entdecken! (Fehlt nur noch
Donald.)
„Es ist fast zum
Lachen: Ein Großteil der (cis) Männer wendet sich vom Buch ab, liest gar nicht
mehr oder einmal im Jahr ein schönes Sachbuch […]. Kaum entdecken aber junge
Frauen das Lesen wieder für sich und weiblich geprägte Genres dominieren den
Buchmarkt, ist der Kulturbetrieb auf einmal ganz geschockt. Es fehle an Büchern
für junge Männer, so das Fazit eines Journalisten nach der Leipziger Buchmesse.
[…] Hier eine kurze Pause für heftiges Augenrollen. […] Also, machen wir es
doch mal andersherum: Wir laden cis hetero Männer explizit ein, Queer*Welten zu
lesen, um festzustellen, dass es gar nicht schwierig oder unangenehm sein
muss, die Perspektive zu wechseln.“
Queer*Welten-Redaktion
–
Queer*Welten, Ausgabe 14-2025 (S. 7–8)