Das
literarische Deutschland verlor am 24. Mai einen großen und wichtigen Streiter
für das Wahre, Gute und Schöne: Carl Amery. Der am 9. April 1922 in
München als Christian Anton Meyer geborene Schriftsteller war nach Krieg und
Gefangenschaft als Dramaturg und Redakteur für den Bayerischen Rundfunk tätig,
machte sich jedoch schnell einen Namen als streitbarer Katholik und Umweltschützer,
als Essayist, Romancier und Hörspielautor.
Seit
seiner Zeit als Kriegsgefangener in den USA lernte Amery die klassische
sozialkritische Science Fiction (wie sie Pohl/Kornbluth schrieben) schätzen und
entwickelte sich selbst in den 70er und 80er Jahren zum herausragenden Autor
dieser Literaturgattung in Westdeutschland. Es gelang Amery als einem der
ersten Nachkriegsschriftsteller mit utopischen Werken wie DAS KÖNIGSPROJEKT
(1974), AN DEN FEUERN DER LEYERMARK (1979)
oder DIE WALLFAHRER (1986) gleichzeitig den Ansprüchen der etablierten
Literaturkritik und dem Lesergeschmack zu genügen. Davon zeugen eine ganze
Reihe von Kurd-Laßwitz-Preisen genauso wie der Verdienstorden Erster Klasse.
Der
Spagat zwischen Hoch- und Genreliteratur gelang Amery auch deshalb, weil er als
engagierter Literat in den wichtigsten Gremien des Kulturbetriebs vertreten
war. So führte er eine zeitlang den Vorsitz des Verbandes deutscher
Schriftsteller (VS), gehörte zum P.E.N. und war an der Gründung der Pazifisten-
und Umweltschutz-Partei „Die Grünen“ maßgeblich beteiligt.
Neben
dem Schreiben eigener SF-Romane gehörte auch die Herausgabe des utopisch-phantastischen
Werks von Gilbert K. Chesterton zu den Anliegen Amerys. Immer wieder gab er zu
Protokoll, dass herausragende Science Fiction wie LOBGESANG AUF LEIBOWITZ
(Walter M. Miller) oder DER GROSSE SÜDEN (Ward Moore) von großer
gesellschaftlicher Relevanz seien und den philosophischen Diskurs über die
Geschichte mehr förderten als trockene Sachbücher. Das Wahrnehmen historischer
Hintergründe und Parallelen stellte das eigentliche Zentrum von Amerys Schaffen
dar. Von hier aus entwickelte er sowohl sein gesellschaftspolitisches wie
literarisches Engagement. Aktuellstes Beispiel dafür ist die im März 2005 bei
Luchterhand erschienene Anthologie BRIEFE AN DEN REICHTUM, in der Amery einer
Anzahl bekannter Persönlichkeiten die Möglichkeit gibt, ihre kritischen
Gedanken zum Kapitalismus einmal in Form fiktiver Briefe vorzulegen.
Mit
Carl Amery verliert Deutschland einen Teil seines literarischen Gewissens und
die phantastische Literatur einen ihrer profiliertesten Förderer.
„Ich glaube, daß die Menschheit immer farbige Lügen geliebt hat ... Das zieht sich durch die ganze Literatur ... Viele gar nicht so schlechte SF-Autoren schreiben bewußt so etwas, sie verlegen das auf Planeten, was früher Odysseus noch im Mittelmeer erleben durfte.“
(Carl Amery, 1982 in: COSMONAUT
Nr. 3, S. 20; Interview mit Carl Amery)