Manchmal
ärgert man sich über seine eigene Großzügigkeit. Zum Beispiel wenn man
feststellt, dass man in den letzten Monaten zu viele Bücher mit zu vielen
Superlativen gelobt hat, sodass es jetzt kaum noch eine Möglichkeit der
Steigerung gibt. Deshalb erfolgt der Hinweis auf das soeben erschienene neue
Buch von Cory Doctorow in vergleichsweise
„nüchternen“ Worten. Der Roman trägt den anspielungsreichen Titel LITTLE
BROTHER (ISBN 978-3-499-21550-6, Rowohlt Paperback) und gehört in die Kategorie „Anti-Utopie“, wobei
die Anknüpfungen an berühmte Vorläufer eher marginal sind – Doctorow legt viel
mehr Augenmerk auf Aktualität als auf Anspielungsreichtum. Zudem gelingt es
ihm, diesem zumeist sehr anspruchsvollen Teilbereich der Phantastischen
Literatur eine bisher eigentlich nicht vorhandene Spielart hinzuzufügen: die
Warnutopie für den jugendlichen Leser. Und da Doctorow weiß, was er seinem
Publikum schuldig ist, wurde aus LITTLE BROTHER ein absolutes Novum – eine Dystopie mit Happy End.
Ein extrem
dynamisches Bild von Arndt Drechsler
schmückt die Nummer 38 von phantastisch! (Verlag Achim
Havemann, 68 Seiten, www.phantastisch.net)
und macht richtig Lust darauf, das Heft von vorne bis hinten durchzuschmökern. Bei den Interviews sticht diesmal das von
Nicole Rensmann
mit Nick Harkaway
geführte heraus, die Artikel sind durchgängig lesenswert, bei den Stories bildet
sich die gewohnte Gänsehaut; dafür freut man sich umso mehr über die Begegnung
mit einem alten Freund: Helmut Wenske wird SIEBZIG! Und das ist durchaus die eine oder
andere Feier wert.
Dieser
Meinung waren offensichtlich auch unsere Freunde von EXODUS, dem einzigartigen Magazin für „Science Fiction Stories
& Phantastische Grafik“ (www.exodusmagazin.de).
In der Ausgabe 26 (3/2010) steht eindeutig Helmut
Wenske im Mittelpunkt. Dabei macht es sich
erstmals so richtig bezahlt, dass EXODUS
nun einen 4-farbigen Hochglanz-Umschlag hat: die beiden Wenske-Gemälde
kommen unglaublich gut raus. Und auch der Innenteil mit seinen acht Farbseiten
lässt den Betrachter (jedenfalls ab einem bestimmten Alter) erinnerungsselige
Freudentränen vergießen. Sorry, liebe Autoren, eure zehn Kurzgeschichten (und
das eine Gedicht) sind bestimmt auch erstklassig, aber in dieser
Zusammenstellung kommen sie halt erst nach den Bildern und Texten von und über
Helmut Wenske (was auch für die durchaus
ansehenswerten Grafiken der übrigen Illustratoren gilt). Aber es soll doch
zumindest noch erwähnt werden, dass zwei alte Weggenossen aus SFT-Zeiten mit neuen Stories vertreten
sind: Horst Pukallus
und Hans Joachim Alpers.
Und wer seine
alten Bildbände nicht mehr findet: Im Cocon Verlag (www.cocon-verlag.de) gibt es einen neuen!
Der recht einfache Titel: Wenske – ROCK’N‘ROLL JUNKIE
(ISBN 978-3-937774-64-0).
„Ich weiß nicht, was Kunst ist …: Wenn da mal
vor Jahren in ‘nem TV-Feature über die Documenta ein schwarzgestrichener Schallerbaum asymmetrisch einen weißen Raum vom Boden zur
Wand hoch trennt, damit ein Kunstfachidiot stundenlang was von der Spannung
labern kann, wird mir der Samen sauer.“
Helmut Wenske – Interview mit Uwe Anton (phantastisch! No.
38, S. 33)