TEMPORAMORES - Newsletter # 151 - 6.4.2010




KURZMELDUNGEN

Manchmal ärgert man sich über seine eigene Großzügigkeit. Zum Beispiel wenn man feststellt, dass man in den letzten Monaten zu viele Bücher mit zu vielen Superlativen gelobt hat, sodass es jetzt kaum noch eine Möglichkeit der Steigerung gibt. Deshalb erfolgt der Hinweis auf das soeben erschienene neue Buch von Cory Doctorow in vergleichsweise „nüchternen“ Worten. Der Roman trägt den anspielungsreichen Titel LITTLE BROTHER (ISBN 978-3-499-21550-6, Rowohlt Paperback) und gehört in die Kategorie „Anti-Utopie“, wobei die Anknüpfungen an berühmte Vorläufer eher marginal sind – Doctorow legt viel mehr Augenmerk auf Aktualität als auf Anspielungsreichtum. Zudem gelingt es ihm, diesem zumeist sehr anspruchsvollen Teilbereich der Phantastischen Literatur eine bisher eigentlich nicht vorhandene Spielart hinzuzufügen: die Warnutopie für den jugendlichen Leser. Und da Doctorow weiß, was er seinem Publikum schuldig ist, wurde aus LITTLE BROTHER ein absolutes Novum – eine Dystopie mit Happy End.

Ein extrem dynamisches Bild von Arndt Drechsler schmückt die Nummer 38 von phantastisch! (Verlag Achim Havemann, 68 Seiten, www.phantastisch.net) und macht richtig Lust darauf, das Heft von vorne bis hinten durchzuschmökern. Bei den Interviews sticht diesmal das von Nicole Rensmann mit Nick Harkaway geführte heraus, die Artikel sind durchgängig lesenswert, bei den Stories bildet sich die gewohnte Gänsehaut; dafür freut man sich umso mehr über die Begegnung mit einem alten Freund: Helmut Wenske wird SIEBZIG! Und das ist durchaus die eine oder andere Feier wert.

Dieser Meinung waren offensichtlich auch unsere Freunde von EXODUS, dem einzigartigen Magazin für „Science Fiction Stories & Phantastische Grafik“ (www.exodusmagazin.de). In der Ausgabe 26 (3/2010) steht eindeutig Helmut Wenske im Mittelpunkt. Dabei macht es sich erstmals so richtig bezahlt, dass EXODUS nun einen 4-farbigen Hochglanz-Umschlag hat: die beiden Wenske-Gemälde kommen unglaublich gut raus. Und auch der Innenteil mit seinen acht Farbseiten lässt den Betrachter (jedenfalls ab einem bestimmten Alter) erinnerungsselige Freudentränen vergießen. Sorry, liebe Autoren, eure zehn Kurzgeschichten (und das eine Gedicht) sind bestimmt auch erstklassig, aber in dieser Zusammenstellung kommen sie halt erst nach den Bildern und Texten von und über Helmut Wenske (was auch für die durchaus ansehenswerten Grafiken der übrigen Illustratoren gilt). Aber es soll doch zumindest noch erwähnt werden, dass zwei alte Weggenossen aus SFT-Zeiten mit neuen Stories vertreten sind: Horst Pukallus und Hans Joachim Alpers.

Und wer seine alten Bildbände nicht mehr findet: Im Cocon Verlag (www.cocon-verlag.de) gibt es einen neuen! Der recht einfache Titel: Wenske – ROCK’N‘ROLL JUNKIE (ISBN 978-3-937774-64-0).


ZITAT

„Ich weiß nicht, was Kunst ist …: Wenn da mal vor Jahren in ‘nem TV-Feature über die Documenta ein schwarzgestrichener Schallerbaum asymmetrisch einen weißen Raum vom Boden zur Wand hoch trennt, damit ein Kunstfachidiot stundenlang was von der Spannung labern kann, wird mir der Samen sauer.“

Helmut Wenske – Interview mit Uwe Anton (phantastisch! No. 38, S. 33)




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