Die Flut
bemerkenswerter Neuerscheinungen verlangt diesmal Kürze.
Bei Heyne sind in den letzten Wochen gleich drei Titel erschienen, die als Lesefutter unverzichtbar
sind: Der Wichtigste ist WAS AUS DEN MENSCHEN WURDE (ISBN 978-3-453-52806-2),
ein Sammelband mit allen Kurzgeschichten von Cordwainer Smith, einem Solitär unter den amerikanischen SF-Autoren. Auf
über 1000 Seiten erzählt Smith sprachverliebt und stilsicher die
einzigartige Zukunftshistorie von der „Instrumentalität
der Menschheit“. Für mich jetzt schon das „Buch des Jahres
2011“!
Neuling Paolo Bacigalupi
gewann mit seinem BIOKRIEG (ISBN 978-3-453-52757-7; OT: „The Windup Girl“) im letzten Jahr völlig zu Recht
jede Menge SF-Preise. Der Roman spielt in nicht allzu ferner Zukunft und
beschreibt die Probleme der Menschheit mit ihren hausgemachten Katastrophen:
Gentechnik, Umwelt, Androiden – und Korruption. Sehr düster –
und sehr gut.
Klassische Hard-Science-Fiction
präsentiert Alastair Reynolds
in seinem 800-Seiten-Schmöker UNENDLICHE STADT (ISBN 978-3-453-52767-6),
der dem, in der SF nicht gerade seltenen, Großstadt-Thema eine neue und
faszinierende Seite abgewinnt. Und Engel kommen auch vor.
Bei DvR gibt es Neues: Nach Abschluss der „Kollektion Laßwitz“ bringt Dieter von Reeken nun, mit Unterstützung von Heinz J. Galle, die Werke von Paul Alfred Müller in Neuausgaben.
Nach dem Einzelband DIE SEIFENBLASEN DES HERRN VANDENBERG ist jetzt der erste
Band mit Nachdrucken der utopischen Heftchenreihe JAN MAYEN (Heft 1 – 10)
erschienen. Die Serie lief erstmals 1936 bis 1938 und wurde unter teilweise
anderen Titeln 1949/50 nochmals veröffentlicht. Da P. A. Müller
(Pseudonyme u. a. Lok Myler und Freder
van Holk) ein umtriebiger Vielschreiber war,
dürfte DvR noch einige Jahre Material für
Neueditionen haben.
Der neue Roman von Jonathan Lethem, CHRONIC CITY
(Tropen, ISBN
978-3-608-50107-0, 490 Seiten), spielt zwar größtenteils in
einem zeitgenössischen New York, enthält aber genügend
phantastische Versatzstücke, um als Parallelwelt-SF durchzugehen. Lethem brilliert wie gewohnt als scharfzüngiger
Kommentator des „american
way-of-life“.
Eine für
deutsche Verhältnisse eher ungewöhnliche Mischung aus komplexem
Weltentwurf, Science Fiction und Fantasy legt Ralf Isau bei Piper vor: DIE ZERBROCHENE
WELT (ISBN 978-3-492-70191-4, Hardcover, 500 Seiten) ist ein offenbar vor
langer Zeit in Einzelteile zerbrochener Planet, der durch den Weltraum fliegt,
von einer gemeinsamen Lufthülle umgeben ist und von Menschen mit
übersinnlichen (oder magischen) Fähigkeiten bewohnt wird.
Natürlich versuchen böse Mächte Unfrieden zwischen den einzelnen
Bruchstücken zu stiften und ein junger Krieger muss dies verhindern
– die Geschichte liest sich trotzdem flott und spannend. (Warum man aber
ein Register angehängt hat, in dem dann die einzelnen Stichworte
unsichtbar gemacht wurden, wird wohl Verlagsgeheimnis bleiben.)
„Einst wird die
Sonne über Thule aufgehen.“ „Was ist
damit gemeint?“ „Ich empfehle ein Lexikon.“
Paul Alfred Müller –
JAN MEYEN, Heft 1:
RUF IN DIE WELT (DvR, 2011)