Die
amerikanische Science-Fiction-Autorin Joanna
Russ verstarb am 29. April 2011 im Alter von 74
Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls in einem Pflegeheim in Tucson,
Arizona. Russ wurde am 22. Februar 1937 im New Yorker
Stadtteil Bronx geboren, studierte englische Literatur und
Theaterwissenschaften in Yale und hatte unter anderem einen Lehrstuhl für
Englisch an der State University of New York inne,
bevor sie 1977 als Professorin an die University of
Washington in Seattle wechselte. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in
Tucson. Neben ihrer Lehrtätigkeit war Joanna Russ
als Autorin von Romanen, Stories und Gedichten ebenso aktiv wie als Kritikerin
und Sachbuchautorin, wobei ihr Hauptaugenmerk auf der Science Fiction lag. Sie
gewann unter anderem sowohl den HUGO, den Nebula wie
auch den Locus Award. Ihre erste Geschichte („Nor Custom Stale“) verkaufte sie 1959 an das Magazine of
Fantasy & Science Fiction; größeren Erfolg feierte sie ab
Mitte der 60er Jahre mit den Erzählungen und Romanen um ihre zeitreisende
Helden-Kriegerin Alyx (eine dt. Ausgabe unter dem
Titel ALYX erschien 1983 bei Knaur), bevor sie in den
70er Jahren als Vorkämpferin der Frauenbewegung auch in der Science-Fiction-Literatur
für Aufsehen sorgte. Mit ihrer Story „When
It Changed“ (1972,
dt. 1985 unter dem Titel „Als alles anders wurde“ und 1990 als „Veränderung“)
sowie den Romanen THE FEMALE MAN (1975, dt. 1978 bei Knaur
als PLANET DER FRAUEN; Neuausgabe 2000 bei Argument als EINE WEILE ENTFERNT)
und WE WHO ARE ABOUT TO … (1977, dt. 1984 bei Medea als WIR, DIE WIR
GEWEIHT SIND …) sorgte sie für reichlich Gesprächsstoff im
damals noch überwiegend männlich-konservativen Genre.
Im Wissenschaftsverlag Peter Lang erschien jetzt der von Klaus Geus zusammengestellte Band UTOPIEN, ZUKUNFTSVORSTELLUNGEN, GEDANKENEXPERIMENTE. In elf Beiträgen untersuchen renommierte Historiker „Literarische Konzepte von einer „anderen“ Welt im abendländischen Denken von der Antike bis zur Gegenwart“. Dabei reicht die Bandbreite von Platon und Sparta über die religiösen Zukunftserwartungen des Mittelalters bis zu den abseitigen völkischen Utopievorstellungen der Neuzeit. Den lesenswerten Abschluss bildet Paul Noltes Abhandlung „Die Machbarkeit der Welt“, in der die praktischen Umsetzungsversuche diverser utopischer Entwürfe im 20. Jahrhundert thematisiert werden. Das Buch ist zwar teilweise extrem „akademisch“, bietet jedoch eine erfrischend neue Blickrichtung auf die Utopie.
„Russ war die
erste Feministin in der SF und ist bis heute die provokanteste und radikalste
geblieben. Stets hat bei ihr das utopische Modell zur Kritik an
gegenwärtigen Zuständen gedient, und durch ihre engagierte
Schreibweise hat sie den Weg für Nachahmerinnen […] bereitet, ja sie
hat schlechthin den Weg für die schreibenden Frauen im Genre geebnet,
indem sie zu ihrem Selbstverständnis beitrug. Man darf aber bei allen
thematischen Neuerungen nicht vergessen, das Russ
auch stilistische Glanzpunkte setzte und durch experimentelle Texte die
amerikanische New Wave entscheidend mitgeprägt hat“.
LEXIKON DER SCIENCE FICTION LITERATUR (Heyne,
1986)