Das Phänomen H. P. Lovecraft beschäftigt die Phantasie seiner Leser, Fans und Kollegen ja nun auch schon seit fast einhundert Jahren, trotzdem gelingt es den beiden spanischen Comic-Künstlern José Oliver und Bartolo Torres, sich dem Objekt ihrer Begierde auf neue und äußerst originelle Weise anzunähern. Sie erzählen kurze phantastische Geschichten aus der Kindheit und Jugend des späteren Ausnahmeschriftstellers. In dem bei Diábolo Comics erschienen Band DER JUNGE LOVECRAFT (ISBN 978-84-15839-11-8) bieten sie vergnügliche Einblicke in die völlig verkorkste Vorstellungswelt eines Außenseiters mit mehr als ungewöhnlichen Hobbys. Glücklicherweise stellen Oliver und Torres dem kleinen HPL eine ganze Reihe von Begleitern zur Seite, die für dessen „Erdung“ sorgen. Vor allem die stürmische und unerschrockene Siouxie ist eine Figur, die man vom ersten Auftritt an liebt. Stilistisch erinnert DER JUNGE LOVECRAFT zwar ein wenig an die Anfänge der PEANUTS, allerdings geht es auf den knapp einhundert Seiten des Buches nur ganz selten so ruhig und beschaulich zu wie bei Charlie Brown & Co. Ein vielversprechender Comicstrip, dem man nicht nur wegen seines schwarzen Humors viel Erfolg zu wünschen geneigt ist.
Hin und wieder hilft ein Neustart – und dabei ist es egal, ob es sich um einen Computer oder um ein Comic-Universum handelt. Nachdem man bei DC alles auf „Null“ zurück gesetzt hat und die Hauptserien um SUPERMAN und BATMAN bereits seit einiger Zeit von Panini unters deutsche Volk gebracht werden, bekommt man hierzulande nun auch die etwas weniger bekannten, deshalb aber nicht weniger spektakulären, „Neben-Reihen“ zu Gesicht. Am Gespanntesten durfte man als SF-Leser auf das Erscheinen von DIAL H – BEI ANRUF HELD sein, einer Serie, die von dem britischen Autor China Miéville getextet wird. Im ersten Trade-Paperback, das den Titel NEUE VERBINDUNG (ISBN 978-3-86201-590-0) trägt und die US-Hefte 1 bis 5 plus die Null-Nummer enthält, wirft Miéville seine Leser ebenso ohne Erklärungen ins Abenteuer wie er dies mit seinem „Helden“ Nelson Jent tut. Denn immer, wenn Nelson eine bestimmte Ziffernfolge auf der Wählscheibe einer alten Telefonzelle wählt, wird aus ihm eine sehr spezielle Art von „Superheld“ – noch dazu jedes Mal ein anderer. Wie Nelson damit umgeht ist sehr unterhaltsam zu verfolgen und macht Lust auf weitere Geschichten über diesen doch sehr „anderen“ Helden. Die dynamischen, expressiven Bilder, die der Brasilianer Mateus Santolouco zeichnet und tuscht, passen extrem gut zu Miévilles Erzählstil. Die Redaktion der deutschen Ausgabe liegt in den bewährten Händen von Christian Endres (der auch das zweiseitige Interview mit Santolouco führte), die Übersetzung stammt von Josef Rother und die im Anhang abgebildeten Originalcover gestaltete niemand Geringerer als Brian Bolland.
„Ich bin CONTROL-ALT-DELETE … [/] Und das ist ein REBOOT! [/] Ein
Neustart. [/] Guter Trick, nicht?“
China Miéville – BEI ANRUF HELD