Es hält sich seit vielen Jahren das Gerücht, dass es eine
Welt jenseits des Genre-Tellerrandes gibt. Was dort los ist, womit man sich
oberhalb des kuscheligen Pulpliteratur-Ereignishorizonts so beschäftigt, kann
man jetzt erfreulicherweise nachlesen, ohne sich selbst in die Gefahr einer
Höhenluft-Embolie zu begeben. Der in Augsburg geborene Schriftsteller Georg Klein, Träger unter anderem des
Brüder-Grimm- und des Ingeborg-Bachmann-Preises, hat sich in den vergangenen
fünfzehn Jahren aufgemacht und in aufopferungsvoller Hingabe die artifiziellen Realitäten
diesseits und jenseits der Feuilleton-Welt erforscht. Herausgekommen ist dabei
der Band SCHUND & SEGEN (Rowohlt, ISBN 978-3-498-03566-2, 400 Seiten),
eine Sammlung von „77 abverlangten Texten“. Die
zumeist nur wenige Seiten kurzen Buchbesprechungen, Konzertberichte, Essays,
Nachrufe, Filmkritiken, Reflexionen und Sottisen erschienen verstreut in
verschiedenen deutschsprachigen Zeitungen und zeigen die ganze Breite und
gedankliche Tiefe von Georg Kleins Vorlieben und Interessen. Das Buch beginnt
mit einem Besuch einer David Lynch-Ausstellung
in Köln, macht Station bei Science-Fiction-Autoren wie Ursula K. Le Guin, William
Gibson und Robert A. Heinlein,
leistet Trauerarbeit an Michael Jackson
und Stanislaw Lem, guckt sich
Computerspiele und den „Mut der Jugend“ an und ist bei Klassiker-Jubiläen (Günter Grass, Josefine Mutzenbacher, Gustav
Schwab oder Leonard Cohen) noch
lange nicht am Ende der polyhistorischen Fahnenstange angelangt.
Ein mutiges, interessantes, unterhaltsames, spannendes, ergreifendes, ebenso humorvolles wie zitaten- und anspielungsreiches Buch ist dem in Israel geborenen und in London lebenden Autor Lavie Tidhar mit seinem preisgekrönten Alternativwelt-Roman OSAMA (Rogner & Bernhard, ISBN 978-95403-014-9, 302 S.) gelungen. Sein Verwirrspiel um einen Privatermittler, der sich auf die Suche nach Mike Longshott begibt, dem Verfasser einer Reihe von Schundromanen in denen ein gewisser Osama bin Laden als Terrorist durch die Welt zieht, behandelt dieses sensible Thema auf eine kunstvoll-eigenständige Weise, die zum einen diverse Absurditäten unserer Weltsicht nach dem Einsturz der Türme aufzeigt, zum anderen den fast schon wieder vergessenen Opfern der übrigen Anschläge ein würdevolles Gedenken bewahrt.
Was lange währt, wird endlich gut! Mit einiger Verspätung ist nun endlich die langerwartete Jubiläumsausgabe 50 der Phantastisch! erschienen. Das 88-seitige Heft ist so prallvoll mit tollen Artikeln, Interviews, Bildern und Nachrichten, dass es den Rahmen bei Weitem sprengen würde, auch nur das Inhaltsverzeichnis vorzustellen. Mehr dazu einfach unter www.phantastisch.net nachsehen. Und natürlich: Das Abonnieren nicht vergessen!
„Inkompetentes
Geschwätz.“
Wolfgang Jeschke (Phantastisch! No. 50, S. 58)
auf die Frage, was er davon hält,
dass man im Piper Verlag die Science Fiction
als Untergattung der Fantasy einordnet.