Ein Studioalbum, ein Live-Mitschnitt, eine illustrierte
Hard-boiled-Geschichte und dazu das ungekürzte Hörbuch – an diesem
Vier-Komponenten-Kleber bleibt man gerne hängen: KICKBACK CITY (Sony Music
8888376-4062, ISBN 978-1-908709-43-1) von Rory
Gallagher (1948 – 1995) ist ein ebenso überraschendes wie überzeugendes
Zufallsprodukt, entstanden aus der heimlichen Liebe Gallaghers zu knallharten
Krimis und der Wertschätzung, die Bestseller-Autor Ian Rankin der Musik des irischen Blues-Rockers entgegenbringt.
Angeregt von Gallaghers Songtexten schrieb Rankin die Kriminalnovelle THE LIE
FACTORY, die der Comic-Zeichner Timothy
Truman kongenial illustrierte und der Schauspieler Aidan Quinn mit der notwendigen Lakonie in der Stimme vorliest.
Auch wenn Buch und Hörbuch als gelungene Kunstwerke bestehen – die größte
Freude bereitet das (Wieder-)Hören von Rory Gallaghers Liedern. Gallagher ist in
jeder Sekunde absolut präsent, spielt mit großer Könnerschaft glasklare Riffs
und singt mit einer durchdringend-rauhen, trotzdem jederzeit verständlichen
Stimme seine klassischen Songs über Outsider, Verlierer und das sündhafte Leben
in den regennassen, nächtlich-finsteren Straßen von KICKBACK CITY.
Gleich zwei klassische Anti-Utopien erschienen soeben als ungekürzte
Hörbücher und buhlen um die Aufmerksamkeit des Publikums. Da ist zum Einen
SCHÖNE NEUE WELT (Der Hörverlag, ISBN 978-3-8445-1243-4, 6 CDs, 482 Minuten)
von Aldous Huxley, gelesen vom
vielfach ausgezeichneten Theater- und TV-Schauspieler Matthias Brandt. Von Huxleys 1932 erstmals erschienener Dystopie
existiert bereits seit 2004 eine leicht gekürzte Lesung, der jedoch die über 80
Jahre alte Übertragung von Herberth E. Herlitschka
zugrunde liegt. Die neue Übersetzung von Uda
Strätling (ISBN 978-3-596-95015-7, soeben als hübsches Hardcover im Fischer
Taschenbuch Verlag veröffentlicht) verleiht dem vielzitierten konsumkritischen
„Roman der Zukunft“ eine Frische und Aktualität, die in Brandts mit großem
Enthusiasmus vorgetragener Lesung jeden Gedanken an ihr „biblisches“ Alter
verdrängt.
Völlig anders mutet dagegen die „1984“-Lesung von Sebastian Rudolph bei Hörbuch Hamburg (ISBN 978-3-89903-912-2, 2
mp3-CDs, 744 Minuten) an. Obwohl hier die (inzwischen auch schon fast 30 Jahre
alte) Neuübersetzung von Michael Walter
Verwendung findet, klingt George Orwells
Romantext so düster und trostlos wie nur irgend vorstellbar. Allerdings durfte
man bei diesem Buch wohl auch keine großartigen Regie-Tricks oder Sprecher-Mätzchen
zur Anwendung bringen, wollte man ihm in seiner Düsternis und Trostlosigkeit
gerecht werden. So ist die erste Komplettlesung eines der wichtigsten Romane
der Weltliteratur gleichermaßen erschreckend und faszinierend gelungen. Nach
zwei Verfilmungen, unzähligen Bearbeitungen für die Bühne und diversen
Hörspielversuchen ist dieses Hörbuch eine wichtige mediale Ergänzung zur nach
wie vor unverzichtbaren gedruckten Fassung von NINETEEN EIGHTY-FOUR (1949).
„4. April 1984: Gestern Abend im Kino – lauter Kriegsfilme … Publikum
brüllte vor Lachen …“
George Orwell – 1984