TEMPORAMORES - Newsletter # 229 - 28.2.2015




KURZMELDUNGEN

Ein Erstlingsroman, der auf Anhieb alle wichtigen Science-Fiction-Preise auf einmal gewinnt, verspricht ja einiges. Allerdings begegnet man solchen Werken und ihren Autoren auch immer mit einiger Skepsis. Im Fall von Ann Leckie und ihrem Far-Future-Abenteuer um DIE MASCHINEN (Heyne, ISBN 978-3-453-31636-2, 540 Seiten) ist diese Skepsis jedoch unnötig. In ihrem „Roman aus der fernen Zukunft“ (Untertitel) schreibt Leckie über die Entwicklung von Breq, einer ehemals sehr großen und multiplen Künstlichen Intelligenz (KI), und die Probleme, die Entstehen, wenn Vorurteile und Scheuklappen verhindern, dass denkende Wesen einander als gleichberechtigt anerkennen – was passieren kann, selbst wenn die Intelligenzen weiblich sind. Nähere Erläuterungen zu dieser „politischen Unkorrektheit“ erhält man(n) in DIE MASCHINEN durch das Vorwort des Übersetzers Bernhard Kempen und durch das nachgestellte Interview (in dem man auch erfährt, dass zwei weitere Bücher mit Breq in der Hauptrolle folgen werden).

Erstmals in der mehr als zwanzigjährigen Geschichte des deutschen Rolling Stone ziert ein Schriftsteller-Porträt das Cover der aktuellen Ausgabe 245 (März 2015) – und „natürlich“ ist es Stephen King. Der Maestro gibt sich anlässlich eines neuen Buches (REVIVAL, Heyne) die Ehre und spricht ausgiebig über sich und seine Werke. Mit allem Drumherum ergibt das immerhin 15 Seiten puren Horrors. Nicht weniger gruselig lesen sich die Artikel über „Falcos Erben“ und „Die 100 besten Alben (die keiner kennt)“. Die restlichen der 130 Seiten sind wie in jedem Monat angefüllt mit tollen Artikeln, Plattenkritiken und jeder Menge Krimskrams. Trotz einer kleinen Preiserhöhung bleibt der Rolling Stone somit das lesenswerteste Musikmagazin für den Universalgelehrten.

Nach einer längeren Pause gibt es Neues von Bernd Ulbrich zu melden. Im Berliner Trafo Verlag erschien im Januar sein „Roman über die Liebe“ der den etwas provozierenden Titel ZWISCHENSPIEL MIT DEM TOD (ISBN 978-3-86465-046-8, 660 Seiten, Klappenbroschur) trägt. In einer fast barock zu nennenden Sprache und auf allerhöchstem stilistischem Niveau erzählt Ulbrich von den Beziehungen der Bewohner einer Berliner Villa untereinander und zu ihren Nachbarn, wobei sie in besonders heiklen Fragen auf die Unterstützung einer der menschlichsten und liebenswertesten Künstlichen Intelligenzen (KI, siehe oben) aller Zeiten bauen können. Da wir momentan immer mehr in einer Science-Fiction-Welt zu leben scheinen, muss jede wirklich gute Gegenwartsliteratur gleichzeitig Phantastische Literatur sein. Ein ganz besonderes Erlebnis für mutige und experimentierfreudige Leser.



ZITAT

Was bleibt einem armen Sterblichen angesichts eines solchen sprachmächtigen Zauberbuches denn anderes übrig, als entweder den Autor zu verfluchen, ob seiner unmenschlichen Fähigkeiten zur Imagination, oder, viel einfacher und näherliegender, auf die Knie zu sinken und jedwedem Schöpfer zu danken, dass er Solches zuließ?

Bernd Ulbrich – ZWISCHENSPIEL MIT DEM TOD, Umschlagtext

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