Einen Roman von 2500
Seiten Umfang sucht man heutigen Tages wohl vergebens in den Buchhandlungen. Vor
100 bis 150 Jahren waren solche „Buch-Monster“ zwar auch nicht die Norm, aber
in Form der Kolportage-Hefte ein durchaus verbreitetes Phänomen. Neben den
bekannten Reiseerzählungen schuf auch ein Karl
May mehrere dieser, vor allem bei Dienstmädchen und Jugendlichen, sehr
beliebten Unterhaltungsgeschichten. Als sein größter Konkurrent etablierte sich
Robert Kraft (1869–1916), der
innerhalb weniger Jahre mehr als ein Dutzend dieser Riesenromane schrieb. Im
Spezialverlag von Dieter von Reeken,
der zuletzt mit der Neuausgabe von Paul
Alfred Müllers Heftserie SUN KOH punkten konnte, erscheint jetzt mit ATALANTA.
DIE GEHEIMNISSE DES SKLAVENSEES (ISBN 978-3-940679-94-9, Hardcover) eines der
seltensten Werke Krafts im Neusatz (www.dieter-von-reeken.de).
Die Ausgabe ist auf 5 Bände mit jeweils etwa 500 Seiten angelegt, sodass jedes
Buch 12 der insgesamt 60 Originalhefte enthält, natürlich inklusive der s/w-Illustrationen.
Das Nachwort zu Band 1 stammt von Heinz
J. Galle.
Und um was geht es jetzt eigentlich in ATALANTA? Das Nacherzählen
eines Robert Kraft-Plots erforderte fast ebenso viele Seiten wie das Original,
da der Autor sich nicht mit Landschaftsbeschreibungen oder psychologischen
Reflektionen aufhielt – im Kolportageroman war action pur! angesagt, und so passiert auf jeder einzelnen Seite
mehr als heute in ganzen Büchern. Dass spätere Autoren sich aus einem solchen
Ideen-Steinbruch nur allzu gerne bedienten, kann man sich vorstellen – auch die
Protagonisten und Handlungsstränge von SUN KOH verdanken diesem Buch offenbar
sehr viel. Etwas, das man nun bald selbst überprüfen kann, da beim bekannt
flotten Erscheinungsmodus von DvR der komplette Text wohl innerhalb eines
überschaubaren Zeitraumes vorliegen dürfte.
Eine phantastisch!-Ausgabe im „Normal“-Umfang von 64 Seiten erschien
Anfang April bei Atlantis (www.atlantis-verlag.de).
Damit das Heft 58 jedoch nicht zu schmal wirkt, hat man deutlich stärkeres
Papier verwendet, was den Seiten eine unerwartete Stabilität verleiht – wie
„für die Ewigkeit“ gemacht! Inhaltlich beschäftigen sich die Beiträge u. a. mit
der Mode der Zukunft (Muna Germann),
der „Rückkehr“ eines beliebten Vorkriegs-SF-Helden (Horst Illmer) und zwei neuen Büchern von Christian Endres und Michael
Peinkofer, zu denen es auch zwei umfangreiche Leseproben gibt. Sonja Stöhr war wieder fleißig und hat neben
ihren Jugendbuch-Empfehlungen auch noch Gegenwarts-AutorInnen gefragt „Warum
schreiben Sie eigentlich Science Fiction?“. Wie immer im Heft: Story (Lavie Tidhar!), Rezensionen, Comics,
Interviews und Cartoons.
„Na ich danke! So ein Blödsinn! Sich
in einen Wolf verwandeln!.”
„Du glaubst nicht, dass es Menschen gibt, die sich in einen Wolf
verwandeln können?“
Verwundert blickte Arno die Fragerin an. „Um Gottes Willen, Atalanta – Du
glaubst doch nicht etwa an den Werwolf?!“
Robert Kraft – ATALANTA. (Band 1, S. 246)