Kurz
vor der Buchmesse fluten die Verlage wie jedes Jahr die Büchertische. Deshalb hier
eine kleine Übersicht über soeben erschienene Titel, die einer näheren
Betrachtung würdig scheinen.
Beginnen
wir mit FINDERLOHN (Heyne, ISBN 978-3-453-27009-1) von Stephen King. Der Nachfolger von MR. MERCEDES ist ein gelungener
Kriminalroman, der geschickt auf die dort geschilderten Ereignisse eingeht, sie
jedoch neu interpretiert und durch die Einführung neuer Handlungsträger eine
überzeugende Eigenständigkeit gewinnt. Selten wusste der Mittelband einer
Trilogie so zu fesseln. Nach 540 Seiten (bzw. 18 Stunden Hörbuch hören)
schließt man das Buch in bangem Erwarten auf den nächsten Teil – und in der
Gewissheit, dass Ex-Detective Bill Hodges noch einiges vor sich hat, bevor er
seinen Ruhestand genießen kann.
Der
englische Autor Kazuo Ishiguro hat mit seinem neuen Roman DER
BEGRABENE RIESE (Blessing, ISBN 978-3-89667-542-2, 414 Seiten) einen „Zwitter“
vorgelegt, der genau auf der Grenze zwischen historischem Erzählen und Fantasy
angesiedelt ist. Als Gegenstück zum Artus-Mythos erzählt er eine märchenhafte
Parabel von der Suche eines Ehepaares nach ihrem Sohn und von ihrem
Zusammentreffen mit einem Ritter, der den Drachen töten will, der England mit
einem bösen Nebel aus Verzweiflung und Vergessen überzieht. Ein Buch, das
geeignet ist, heftige Kontroversen auszulösen – ein gutes Buch also.
Mit
LIEBE IST DER PLAN (Septime, ISBN 978-3-902711-37-3), dem zweiten Band der
„Sämtlichen Erzählungen“ von James Tiptree jr. liegen jetzt alle sieben Bücher der
Reihe vor und es darf gejubelt werden. Neben Philip
K. Dick
ist Tiptree die wohl wichtigste US-amerikanische Vertreterin der
Science-Fiction-Kurzgeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Umso
wichtiger ist es, dass ihr Werk endlich in einer herausragenden Edition auf
Deutsch vorliegt. Für Komplettisten und Fans ist noch ein Essayband geplant und
in den nächsten Jahren sollen wohl auch die zwei Romane erscheinen – doch ihr
Hauptwerk sind die 74 Stories, die man nun von vorne nach hinten (oder auch
querbeet) genießen kann.
Russland
hat mehr zu bieten als jede Woche einen neuen Roman von Dmitry Glukhovsky und so können sich alle, die sich gerne
mit den Auswüchsen der Verzweiflung beschäftigen, welche die russische Seele
hervorbringt, an TELLURIA (KiWi, 978-3-462-04811-7, 415 Seiten) von Vladimir Sorokin schadlos halten. Sorokin gehört zu den
besten und mutigsten Autoren des Landes und viele seiner Werke gehören zur
phantastischen Literatur. In TELLURIA springt er ein halbes Jahrhundert in die
Zukunft und zeigt ein zerfallenes Eurasien, in dem einzig die Republik Telluria
Hoffnung verspricht – allerdings muss man sich dort Tellur-Nägel in den Kopf
hämmern lassen. Auch nicht jedermanns Sache!
„Erschüttern müssen wir die Kremlmauern! Er-schüt-tern! Err-schüt-terrn!“
„Nicht erschüttern, sondern zerschmettern. Und nicht
Mauern, sondern morsche Köpfe.“
Valadimir Sorokin – TELLURIA (S. 5)