Diesmal wollen wir uns mit einigen sehr
gelungenen Werken der Sekundärliteratur beschäftigen, die in den letzten
Monaten Eingang in meine Handbibliothek fanden.
Bereits etwas älter ist der Essay-Band
IM WALD DER FIKTIONEN (Hanser, 1994, 199 S.) von Umberto Eco,
der „sechs Streifzüge durch die Literatur“ enthält. Die von Eco in Harvard
gehaltenen Poetik-Vorlesungen entführen in den Wald der Weltliteraturen, den
mit ihm zu Durchstreifen der italienische Semiotiker seine Zuhörer/Leser
auffordert. Dabei entdeckt er eine fast unendliche Artenvielfalt, deren
Katalogisierung und Kategorisierung ihm geradezu sinnliche Freude bereitet.
Aber egal, ob er sich gerade über Märchen, Kriminalromane, Hochliteratur,
Klassiker oder Schundromane beugt, immer steht dabei die Vermittlung der
gewonnenen Erkenntnisse an sein Publikum im Mittelpunkt. Ohne Leser wird der
Wald zum Dschungel.
Und nun: auf die Knie, all ihr
Kleingläubigen, Zweifler und Unkenrufer! Es liegt vor mir, DAS SCIENCE FICTION
JAHR 2015 (Golkonda, ISBN 978-3-944720-48-7, 650 S.) – und siehe, es war gut.
Durch das größere Format der bei Golkonda üblichen Klappenbroschur wirkt das
Jahrbuch etwas schlanker als die zuletzt bei Heyne üblichen „Backsteine“, aber
ein Blick ins Inhaltsverzeichnis lässt schon erkennen, was die spätere Lektüre
bestätigt: Es fehlt nichts! Nahtlos, „wie beim Staffellauf“, wurde der „Stab“
übergeben. Als Herausgeber firmieren Hannes Riffel
und Sascha Mamczak,
die Redaktion blieb Größtenteils bei der Stange und die kleinen Änderungen, die
sich erkennen lassen, dienen durchgängig der besseren Lesbarkeit und der
Konzentration auf das Wesentliche. Bleibt also nur, ein paar Highlights des
inzwischen dreißigsten SF-JAHRes hervorzuheben: Über 70 Seiten Erinnerungen an Wolfgang Jeschke,
ein Beitrag von Ken Liu
über „Chinesische SF“, ein Interview mit MARSIANER-Autor Andy Weir,
Dietmar Dath schreibt über Greg Egan
und Michael K. Iwoleit
über deutschsprachige Science-Fiction-Kurzgeschichten – wie gesagt: nur die
Spitze des „Eisbergs“. Darauf ein kräftiges: WEITER SO!
Der oben bereits erwähnte Michael K.
Iwoleit, selbst Autor von Romanen und
Kurzgeschichten, aber auch als Übersetzer
und Herausgeber (NOVA) tätig, hat bei DvR (ISBN 978-3-945807-01-9, 240 S.)
einen Sammelband mit acht „Essays zur Short Science Fiction“ vorgelegt, die in
veränderter Form in den letzten zwanzig Jahren verstreut in Magazinen und
Jahrbüchern erschienen. Der REDUCTIO AD ABSURDUM betitelte Band enthält
Arbeiten über das Kurzgeschichtenwerk von J. G. Ballard,
Philip K. Dick und Theodore
Sturgeon, was zu erwarten war, nur um dann auf
relativ unbekannte Autoren wie David I. Masson, Lucius Shepard,
Greg Egan und Carter Scholz einzugehen.
Der einführende Essay „Ein Tribut an die Science-Fiction-Story“ betrachtet das
ganze Genre als auf einem Fundament von Kurztexten aufgebaut, deren
literaturwissenschaft-liche Erforschung immer noch sehr im Argen liegt. Eine
Liebeserklärung an die Short Story!
„Servus, Wolfgang!“
Udo Klotz – Nachruf
auf Wolfgang Jeschke in: DAS SCIENCE FICTION JAHR 2015 (S. 57)