Da heute Nikolaustag ist und aus
den Lautsprechern die unvergänglichen Weihnachtslieder einer liebevoll
zusammengestellten Adventskalender-CD erklingen, drängt es mich geradezu, die
Welt mit Hinweisen auf einige ausgesprochen schöne Bände mit Comics und
Cartoons zu beglücken, deren ich in den letzten Tagen habhaft werden konnte.
Beginnen wollen wir mit DER
REALIST (ISBN 978-3-86425-594-6, cross cult, 190 Seiten), einem prächtigen
Monumentalband mit 1-Seiten-Cartoons von Asaf
Hanuka, einem 1974 in Israel geborenen Zeichner und Texter. In seinen
wöchentlich erscheinenden, autobiographisch unterfütterten Zeichnungen berichtet
Hanuka über das „gewöhnliche“ Leben eines Künstlers und seiner Familie in Tel
Aviv und führt damit eine Tradition des sequenziellen Erzählens fort, die über
DIE PEANUTS bis zu den VATER & SOHN-Geschichten E. O. Plauens reicht. Wie alle wirklich großen Künstler weiß auch
Hanuka, dass er auf den Schultern noch größerer Vorbilder steht, und so
verwundert es nicht, dass sein REALIST-„Alltag“ immer wieder mit bekannten
Comic-Figuren und den Film- und TV-Ikonen der letzten Jahre durchsetzt ist. Und
ganz zum Schluss gibt es sogar noch eine mehrseitige
Science-Fiction-Geschichte!
Immer wenn ich mit so „abseitigem Zeug“ (wie dem Band von Hanuka)
zur Kasse gehen will, hält mir ein lieber Freund „was richtig Gutes“ vor die Nase,
das ich dann auch noch kaufen muss, damit Ruhe ist. Für gewöhnlich lese ich
dann einen Comic, den ich sonst nicht mal mit der Beißzange angefasst hätte –
und für gewöhnlich bin ich begeistert. So erging es mir (natürlich) auch
diesmal: STARLIGHT – THE RETURN OF DUKE MCQUEEN (Image, TPB, 150 Seiten) von Mark Millar (Text) und Goran Parlov (Bilder) erzählt die
Geschichte eines in die Jahre gekommenen amerikanischen Jetpiloten, der vor
vielen Jahrzehnten durch einen Riss im Raum auf einen fernen Planeten gelangte
und dort mithalf, einen Diktator zu stürzen und dafür als Volksheld verehrt
wurde. Leider glaubte man ihm auf der Erde nach seiner Rückkehr kein Wort,
sodass er mit seiner Familie in eine Kleinstadt zog um dort in Würde alt zu
werden. Als aber eines Nachts ein Raumschiff vor seinem Haus landet und ein
verzweifelter Junge erklärt, dass man auf Tantalus erneut seine Hilfe braucht,
stürzt sich Duke McQueen nach kurzem Zögern erneut ins Abenteuer – auch wenn
der alte Kampfanzug am Bauch etwas spannt! Mit viel Humor und Empathie
schildert Millar diesen letzten Kampf, bei dem es nicht nur um die Rettung
einer Welt geht, sondern auch um die Erfahrung, dass man für Freundschaft,
Treue und Liebe niemals „zu alt“ ist.
Diese menschlich-allzu-menschlichen Themen beschäftigen auch die
Aliens und Fabelwesen, die im fünften Sammelband von SAGA (ISBN
978-3-86425-698-1, cross cult, 150 Seiten) die von Fiona Staples (Zeichnungen) und Brian K. Vaughan (Text) entwickelte Story weiterführen. Wie schon
in den vorhergehenden Büchern passiert jede Menge, werden Leben gerettet und
Opfer gebracht, Familien auseinandergerissen und Freunde zusammengeführt, es
werden Allianzen geschmiedet und Abkommen gebrochen – und darüber vergeht eine
Zeitspanne, die für all die Action fast zu kurz ist. Diese Comic-Serie beweist
einen langen erzählerischen Atem und bisher scheinen den Künstlern auch die
Ideen noch nicht knapp zu werden. Hoffen wir also, dass wir noch lange Zeit mit
ansehen können, wie das Leben mit unseren SAGA-Helden umspringt.
Wir schreiben das Jahr 2108 und es ist jetzt genau einhundert
Jahre her, dass die menschliche Zivilisation sich aufgrund einer weltweiten
Seuche praktisch über Nacht in Nichts aufgelöst hat. Von den über sieben
Milliarden Menschen haben vermutlich nur einige Millionen überlebt und diese
wenigen versuchen nun zu retten was noch zu retten ist. Sie ziehen aus
gesicherten Dörfern hinaus in die Städte und suchen in den Ruinen nach
brauchbaren Dingen und Informationen über die Zeit des „Vorher“. Im von Alan Moore (Text) und Gabriel Andrade (Bilder) geschaffenen
Science-Fiction-Comic CROSSED + EINHUNDERT (Panini) wird diese Geschichte
anhand einer Expedition geschildert, welche die Archivarin Future Taylor und
ihre Gefährten durch ein verwüstetes Amerika führt, wo hinter jedem Gebüsch
tödliche Gefahren lauern. In dem 150 Seiten umfassenden Softcover sind die
ersten sechs Hefte dieser neuen Spin-off-Serie gesammelt, die jedoch einen
abgeschlossenen Erzählbogen besitzen, sodass weder Vorkenntnisse zu der originalen
CROSSED-Serie erforderlich sind, noch muss man unbedingt weiterlesen – obwohl
einem diese zukünftige Future Taylor sehr schnell ans Leser-Herz wächst (und
das nicht nur wegen ihrer Vorliebe für alte SF-Bücher).
„Eigentlich hatte
ich immer schon meine Probleme mit Genre, und ich gelange mehr und mehr zu dem
Schluss, dass Genre noch nie mehr war als eine Bequemlichkeit, wahrscheinlich
erfunden von irgendeinem Verkäufer einer Buchhandlung im 19. Jahrhundert.
Tatsächlich ist es doch so, dass, wenn du eine erfolgreiche Horrorgeschichte
schreiben willst, da auch alle möglichen anderen Elemente drin sein sollten. Es
sollten romantische Elemente drin sein. Es sollten humoristische Elemente drin
sein. … Ich glaube, dass CROSSED tatsächlich eine Science-Fiction-Geschichte
ist, die über einen sehr, sehr hohen Horrorquotienten verfügt. … Und daraus
habe ich dann extrapoliert, was eine der Freuden der Science Fiction ist – du
nimmst dir eine existierende Situation und extrapolierst daraus in deiner
Fantasie.“
Alan Moore – CROSSED +
EINHUNDERT (Vorwort)