So,
zurück zum Tagesgeschäft! In den letzten Wochen erschienen gleich mehrere
Magazine, deren Erwerb sich als echter Zugewinn an Information, Basiswissen
und, vor allem, Spaß erwies.
Da
ist zuallererst die neueste, langerwartete Nummer 2 von CAMP (Edition Alfons im Verlag Volker Hamann). Wie sich bereits in
der hervorragenden ersten Ausgabe abzeichnete, entwickelt sich CAMP zu einem unverzichtbaren
Übersichtswerk, in dem nicht nur Nostalgiker eine herrlich breitgestreute
Berichterstattung über die ungeheure Vielfalt vorfinden, die sich im Dreieck
von „Comic, Illustration und Trivialkultur“ in den letzten einhundert Jahren
ausgeprägt hat. Die Herausgeber Volker
Hamann und Matthias Hofmann
sorgen für die Kontinuität, bekannte und neugewonnene Beiträger für die
Qualität der Artikel – und das preiswürdige Layout macht den Leser/Betrachter
vom ersten Aufschlagen des Heftes an staunen ob solcher Schönheit. Egal ob es
sich um die Bilderstrecken über den englischen Cover-Künstler Bruce Pennington oder die Berliner
Designerin und Illustratorin Ilse
Wende-Lungershausen handelt, oder „nur“ um die luftig mit viel Freiflächen
gestalteten Artikel über den Kolportageautor Robert Kraft (von Heinz J.
Galle), die derzeitige Pippi-Langstrumpf-Rezeption (von Mechthild Wiesner), die erste
US-amerikanische Science-Fiction-Fantruppe der „Futurians“ (von Matthias Hofmann) oder die, intime
Kenntnisse verratenden Essays über Comic-Legenden wie „Turok“ (von Alberto Becattini), „Häuptling
Feuerauge“ (von Daniel Wamsler) und
„Krazy Cat“ (von Jeet Heer), immer
blättert man zuerst begeistert ein paar Seiten weiter, bevor man sich zur
Lektüre zum Anfang zurück bequemt. Zwischen Heft 1 und 2 lagen zwei Jahre – die
überbordente Menge an interessantem Lese- und Anschau-Material in Ausgabe 2
würde vermutlich auch wieder für zwei Jahre reichen, die Gier nach mehr solch
toller Geschichten über den Stoff, der unser Herz erwärmt, lässt jedoch auf
eine schnellere Veröffentlichungsfrequenz hoffen.
Highlight der Ausgabe 34 (4/2016) der EXODUS ist natürlich die neue Kurzgeschichte von Andreas Eschbach, die, illustriert von Michael Vogt, mit 17 Heftseiten gar
nicht so „short“ ist. In der Galerie darf der Aschaffenburger 3D-Grafiker und
PhotoShop-Artist Markus Vogt zeigen,
welch originelle Bilder bei der Zusammenarbeit von Mensch und Software
entstehen; Altfan Lothar Powitz
begleitet die Bilderstrecke mit einem Essay über „Impressionen zwischen Licht
und Schatten“. Wie gewohnt füllen tolle Stories, Cartoons und Grafiken
deutschsprachiger Schriftsteller und Künstler die 112 Seiten des A4-Magazins,
das sich als immer wichtiger erweist, für das Überleben der derzeit leider
wenig wertgeschätzten kurzen Form der Science-Fiction-Erzählung. Trotz aller
Hindernisse, die sich vor jungen neuen Autoren auftürmen, lassen sich einige
von ihnen nicht davon abbringen, Stories zu schreiben: diesmal gehören Tino Falke (Jahrgang 1988) und Michael Gernot Sumper (1993 geboren) zu
diesen Mutigen, die mit ihren Texten erstmals in der EXODUS vertreten sind. Und mit Jaqueline
Montemurri ist nicht nur eine der raren Science-Fiction-Autorinnen dabei,
sondern, neben Andreas Eschbach, auch eine zweite studierte Fachkraft für Luft-
und Raumfahrttechnik. Für die nächsten Monate gibt es hier also ordentlich
Lesestoff – und eigentlich lässt die gebotene Qualität keine Ausreden mehr zu.
Bestellungen sind über www.exodusmagazin.de
jederzeit möglich.
Eine weitere bemerkenswerte Neuerscheinung der letzten Wochen war
die von Olaf G. Hiltscher und Michael K. Iwoleit herausgegebene
Anthologie NOVA–SCIENCE FICTION. AUSGABE 24 (ISBN 978-3-95869-069-1). Nachdem
diese verdienstvolle Reihe inzwischen beim Amrûn Verlag einen sicheren Hafen
gefunden hat, ist die 24. Ausgabe von NOVA mit über 270 Seiten zugleich „the
biggest ever“. Das Konzept von Original-Story eines deutschsprachigen Autors
und Illustration derselben durch einheimische KünstlerInnen ist dem von EXODUS sehr ähnlich, geht jedoch, laut
Vorwort, wie so vieles in der deutschen Science Fiction auf den kürzlich
verstorbenen Wolfgang Jeschke
zurück. Ein Dutzend Kurzgeschichten haben die Herausgeber zusammengetragen und
tatsächlich handelt es sich bei diesen „brandneuen und aufregenden“ Erzählungen
von Uwe Post, Christian Endres, Marcus
Hammerschmitt, Olaf Kemmler, Sven Klöpping, Frank Lauenroth, Sami Salamé, Marc
Späni, Tobias Reckermann, Norbert Stöbe, Fabian Tomaschek und Gheorghe Săsărman um ein
echtes FEUERWERK DER SCIENCE FICTION (um mal wieder einen alten Asimov-Titel zu zitieren). Die
Bandbreite reicht von Near Future-Space Opera und psychologischer Hard SF über
humorvolle und satirische Parallelwelt-Betrachtungen bis hin zu nahezu
klassischen Hard-boiled Roboter-Geschichten und eine überaus gelungene Homage
an eines der wichtigsten Werke der Nachkriegsliteratur. Die Bilder zu den
Geschichten stammen u. a. von Gloria
Manderfeld, Susanne Jaja und Si-yü
Steuber. Den Abschluss dieses prächtigen Paperbacks bilden drei Essays, in
denen sich Kollegen und Weggefährten wie Ronald
M. Hahn und Horst Pukallus an
ihre Begegnungen mit Jeschke erinnern. Nicht umsonst sind es immer wieder
Geschichten aus NOVA-Anthologien, die bei den SF-Preisen hierzulande vordere
Ränge belegen, denn nach inzwischen zwei Dutzend Bänden, wissen die Herausgeber
einfach, wie man „das Beste“ aus den Autorinnen und Autoren herausholt.
Und
– Pflichtlektüre wie immer – hier noch der Hinweis auf das Heft 62 von phantastisch! neues aus anderen welten
(Atlantis), dem in den nächsten Tagen schon die Ausgabe 63 folgt, und das
ausführlich vorzustellen sich an dieser Stelle erübrigt. Beide Hefte strotzen
nur so von den oben angeführten Zutaten „Information, Basiswissen und Spaß“,
wofür neben den langjährigen Mitarbeitern diesmal auch noch die Namen Gregory Benford, Jeff VanderMeer, Daniel
Suarez, Tim Powers und James Corey
stehen.
Es
lässt sich – in einer Momentaufnahme zur Jahresmitte 2016 – konstatieren, dass,
aller elektronischen und virtuellen Konkurrenz zum Trotz, das Qualitäts-Magazin
immer noch existiert und seine Berechtigung (wie das Buch) vor allem der dem
Menschen gemäßen analogen Haptik verdankt. Solange wir also noch keine
Algorithmen haben, die das digitale Zeugs auch noch lesen, besteht Hoffnung.
Und solange das Angebot, das diese Magazine eben auch darstellen, von uns
angenommen wird!
„Obwohl die SF
seit den Höhepunkten, die Wolfgang Jeschke herbeiführte, in Deutschland
kommerziell stark an Boden verloren hat, ist die deutsche SF, aller
Schwierigkeiten zum Trotz, immer noch quicklebendig.“
Die Redaktion – „Editorial“:
in: NOVA (S. 6)
„Kunst, Camp,
Kitsch, Schund, Müll. Die Trennlinie dazwischen ist so klar nicht, ist es nie
gewesen. Man könnte auch sagen: Das Füllhorn der Themen für unser Magazin ist
voll.“
Matthias Hofmann –
„Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters“; in: CAMP (S. 7)