TEMPORAMORES - Newsletter # 254 - 14.10.2016




KURZMELDUNGEN

Der 1976 geborene Schotte Tom Gauld gehört zwar zur ersten Garde international bekannter und gefragter Cartoonisten und Illustratoren, aber weder die 1960er Jahre noch die damalige Raum-fahrtbegeisterung hat er miterlebt. Umso frappierender ist der perfekt eingefangene Zeitgeist der APOLLO-Mondlandungen und der damit einhergehenden Pläne zur Besiedlung des Erdtrabanten, den Gauld in MOONCOP (Drawn & Quarterly, ISBN 978-1-77046-254-0, 96 S.) präsentiert. In seiner zweiten Graphic Novel beschreibt er den Alltag eines (des einzigen) Polizisten, der in der letzten Stadt auf dem Mond für Ruhe und Ordnung sorgt. Allerdings kommt seine 100-Prozent-Erfolgsquote daher, dass keine Verbrechen (mehr) passieren. Auf eines allerdings ist Verlass: Die Bürokratie treibt auch fern der Erde ihre Blüten. Gleichzeitig mit dem Rückflug der letzten Siedler, baut man ein neues komfortables Lunar-Cafe auf (inklusive weiblicher Bedienung). Damit ist die Zahl der Menschen auf dem Mond exakt 2. In wundervoll melancholischen Bildern und mit großartigem Humor erzählt Tom Gauld diese zeitlose Geschichte, die zugleich auch eine Hommage an Ray Bradbury und seine MARSCHRONIKEN ist.

DAS SCIENCE FICTION JAHR 2016 (Golkonda, ISBN 978-3-944720-97-5, 670 S.) zu besprechen, stellt den Rezensenten kurz vor die Frage: Langweilig oder eine Herausforderung? Allerdings reicht dann, wie immer in den letzten einunddreißig Jahren, bereits der Blick ins Inhaltsverzeichnis, um die Lage zu klären: Keine Langeweile! Und die Herausforderung liegt wie jedes Mal nur darin, mit der Flut an Informationen fertig zu werden, die Hannes Riffel und Sascha Mamczak als Herausgeber zusammengetragen haben: Der Science-Fiction-Autor David Brin schreibt über das vergangene Jahr 2015 als „das beste Weltraum-Jahr aller Zeiten“. Der Literaturwissenschaftler John Rieder versucht sich an einer neuen, umfassend gültigen Gattungsdefinition der Science Fiction. Der Wiener Datensammler Christian Pree hat eine knapp einhundert Seiten starke Bibliografie der im vergangenen Berichtszeitraum erschienenen SF-Titel erstellt. Elisabeth Bösl hat Dmitry Glukhovsky interviewt. Christian Endres hat sich alle (!) phantastischen TV-Serien für uns angeschaut. Ralph Sander hat nochmals das STAR TREK-Universum besucht, was sich ebenso dessen 50-jährigem Bestehen verdankt, wie Michael-Lothar Höflers Bericht über den deutschen Widerpart RAUMPATROUILLE. Und so weiter, et cetera, bis fast ad inifinitum … Aber wie immer haben wir ja ein ganzes Jahr Zeit, bis zum nächsten, dann zweiunddreißigsten, SCIENCE FICTION JAHR. Auf dessen Erscheinen wir dann doch wieder sehnsüchtig warten.



ZITAT

„Um es anders auszudrücken: Die Behauptung, dass SF »all das, wonach wir Ausschau halten, wenn wir nach Science Fiction Ausschau halten« sei, ist nicht sehr aussagekräftig, wenn »wir« nicht wissen, wer »wir« sind und warum »wir« nach Science Fiction Ausschau halten.“

John Rieder – „Zur Definition von SF“; in: DAS SCIENCE FICTION JAHR 2016 (S. 30)



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