Es
waren nicht zuletzt die Romane und Erzählungen von Ursula K. Le Guin, die meinen Entschluss, selbst zu schreiben, mit
beförderten. Es war nicht zuletzt der Ärger über eine Verlagspolitik, die Le
Guin-Bücher über Jahre hinweg als nicht mehr verkäuflich abstempelte, die mich
dazu brachte, meine spärlichen Englischkenntnisse zusammenzukratzen und eine
Geschichte von ihr ins Deutsche zu übersetzen. Und es war nicht zuletzt die
Lektüre ihres Internet-Blogs, die mich dazu brachte, dass ich Ursula Le Guin
als (zwar entferntes, aber umso mehr geliebtes) Familienmitglied betrachtete.
„Words
Are My Matter“ – Worte waren ihr Metier, ihre Sache, ihr Lebensmittelpunkt, ihr
Vermögen, ihre Angelegenheit, ihr Streitgegenstand, ihr Ausdrucksmittel – und,
falls nötig, auch der (vom Wörterbuch angebotene) Eiter, den sie wohldosiert zu
verspritzen verstand. Wie könnte man sich besser von einer Erzählerin
verabschieden als mit einer Geschichte?
Im
Vorwort zu einem ihrer letzten Bücher, das den vieldeutigen Titel WORDS ARE MY
MATTER trägt, erzählt Ursula Le Guin davon, wie viel mehr Vergnügen es ihr
bereitet, Prosa oder Gedichte zu lesen – im Vergleich zu Sachtexten. Sie
erklärt dies ausführlich mit ihrem Wunsch, unterhalten und keinesfalls
gelangweilt zu werden und damit, dass nichtfiktionale Texte zumeist viel zu
abstrakt und zu wenig eingängig sind. Sie kennt dabei natürlich den
Umkehrschluss: Als Autorin, die selbst Sachbücher schreibt, sind die von ihr
angelegten Maßstäbe auch für sie fürchterlich schwer zu erfüllen. Ganz anders
ergeht es ihr beim Schreiben von Gedichten oder Geschichten: „Das ist ganz natürlich für mich. Ich mache
es, ich will es, ich finde Erfüllung dabei, so wie ein Tänzer im Tanz oder ein
Baum beim Wachsen.“
Dann
folgt die Anekdote ihrer berühmt gewordenen Rede während der Verleihung der
National Book Foundation Medal im November 2014: „Ich wurde im Juni darüber informiert, dass mir diese Ehrung
zuteilwürde, solange ich dafür nach New York kommen und eine Dankesrede von
weniger als sieben Minuten Länge halten würde. Ich akzeptierte trotz vieler
Bedenken. Von Juni bis November arbeitete ich an dieser kurzen Ansprache.
Selbst an einem Gedicht hatte ich noch niemals so lange und so obsessiv
gefeilt, und noch nie war ich mir so unsicher, ob das was ich sagen würde, auch
das Richtige wäre – und das was ich sagen sollte. Wer war ich denn, dass ich
auf der Jahrestagung der Druckindustrie den versammelten Verlegern in ihre
Festbowle spuckte? Nun, tatsächlich war ich die Einzige, die das tun konnte.
Also tat ich’s.“
Und
das alles ist jetzt vorbei. Für immer. Diese unvergleichliche Stimme wird sich
niemals mehr erheben. Wir werden keine neuen Geschichten, Gedichte, ja nicht
einmal mehr Preisreden, Vorworte oder Buchbesprechungen von Ursula Le Guin zu
hören und zu lesen bekommen. Am 22. Januar 2018 hat die Große Bärin diesen
Planeten verlassen. Sie wird uns nun beim Blick in den Sternenhimmel als
Orientierung dienen – und natürlich weiterhin beim Blick in ihre Bücher.
Horst Illmer
Auf www.ursulakleguin.com befindet sich
eine Link-Sammlung zu den Online-Nachrufen.