Deutschland
im März: Überraschend viele Neuerscheinungen, jede
Menge Sekundärliteratur und diverse Nachdrucke seltener alter
Science-Fiction-Erzählungen – es ist wieder
Buchmesse-Zeit!
Vor allem der Golkonda Verlag (inklusive seines
Memoranda-Imprints) macht mit seinen Titeln Lust darauf, diesen Frühling mal
wieder mit der Lektüre von Sekundärliteratur einzuläuten. Da ist zuerst FORTSCHRITT UND FIASKO, das neue Buch von Hans Frey zu nennen, in dem der Autor die „ersten 100 Jahre der
deutschen Science Fiction. Vom Vormärz bis zum Ende des Kaiserreichs 1810 –
1918“ unter die kritische Lupe nimmt. 300 gut geschriebene, kenntnisreiche
Seiten lang entführt uns Frey in die Vergangenheit unserer Zukunft, die um so
vieles reicher und (vor allen Dingen) politischer war, als wir bisher
vermuteten. FORTSCHRITT UND FIASKO ist bereits mit dem Erscheinen zum
unverzichtbaren Standardwerk geworden. Holt es euch!
Gleichermaßen
interessant ist auch das neue Buch von Uwe
Anton, der sich in der Reihe SF Personality auf mehr als 500 Seiten unter
dem Titel ZEIT DER WANDLUNG mit Robert
Silverberg beschäftigt. Leben und vor allem Werk eines der ganz Großen der
Science Fiction werden hier so ausführlich wie es nur möglich ist vorgestellt.
Der
1961 geborene Wolfgang Neuhaus ist
vor allem als Online-Journalist (Telepolis) und Autor von Artikeln und Essays
zur utopisch-phantastischen Literatur bekannt geworden. Über viele Jahre hinweg
veröffentlichte er seine philosophisch untermauerten und medienkritischen
Beiträge im SF JAHR des Heyne Verlags. Insgesamt 18 dieser Texte sind jetzt in
DIE ÜBERSCHREITUNG DER GEGENWART gesammelt erschienen. Auf 350 Seiten
untersucht Neuhaus die „Science Fiction als evolutionäre Spekulation“ anhand
solch divergenter Beispiele wie Gotthard
Günthers Technik-Philosophie, den MATRIX-Filmen, 2001 als
Transzendenz-Vehikel, den Romanen von William
Gibson, Stanislaw Lem und Dan
Simmons und vielem mehr. Erwähnenswerter Vorteil dieses Buches: Ein
„Namens- und Titel-Register“ das man im SF JAHR immer vermisst hat.
Zum
Schluss noch ein Titel auf den wir lange warten mussten: Der zweite Teil der besten
und wichtigsten Genre-Anthologien ist
erschienen!!! Die von Robert Silverberg
herausgegebene SCIENCE FICTION HALL OF FAME, diesmal mit den Stories der Jahre
1948 bis 1963. Auf 400 Seiten 14 Stories – und jede ein absolutes Meisterwerk!
„In einer Welt der streng voneinander
geschiedenen Wahrnehmungs- und Meinungsfilterblasen sind nicht unbedingt
diejenigen die Dümmsten, die begriffen haben, dass naturwissenschaftliche und
mathematisierte Wissensproduktion eben nicht, wie das abgeschmackte Misstrauen
gegen Laborkittel und Rechenkünstlerinnen wähnt, auf fachidiotische
Zersplitterung der menschlichen Welterschließung hinauslaufen, sondern
umgekehrt das konstruktivste Feld menschlicher Tätigkeit bilden, wo
Teilchenphysik uns erklären hilft, wie die Sterne funktionieren, wo Botanik uns
die Archäologie verbessert oder die Mondlandung unsere Paläontologie auf neue
Ideen bringt.“
Dietmar Dath; „Was gar nicht
so fremde Wesen lesen“, in: FAZ, 2. März
2018 (S. 9)