Dreihundert Newsletter in gut zwanzig
Jahren – niemand ist mehr davon überrascht als der Verfasser dieser Zeilen,
dass es TEMPORAMORES so weit gebracht hat. Ins Leben gerufen wurde dieses
Ein-Mann-eine-Seite-Fanzine 1999 zur gelegentlichen Unterstützung meiner
Lieblingsbuchhandlung. In einer Zeit als das Internet und die heutigen Mega-Player
noch sehr neu und niedlich waren, war der Gedanke, anderen Lesern, über das im
persönlichen Gespräch Mögliche hinaus, neu erschienene Bücher zu empfehlen,
irgendwie verlockend. Die positiven Rückmeldungen führten zu weiteren
Rezensionen und so entstand ein Schwingkreis, der das Rad bis heute am Laufen
hält. In der verstrichenen Zeit konnte/wollte/durfte ich eine unfassbar große
Zahl an tollen Büchern lesen – viele davon extra für diesen Newsletter – und
dann in die Sammlung überführen. Dafür, und für eure Treue, wieder einmal DANKE
zu sagen, ist mir ein freudiges Bedürfnis und hiermit geschehen. Vorhersagen,
die die Zukunft betreffen, sind ja die schwierigsten, deshalb an dieser Stelle
nur das Versprechen: solange es Spaß macht, wird es auch bei TEMPORAMORES
weitergehen.
So, genug editorialisiert, zurück zum
Wichtigen. Auf den nächsten Seiten finden sich die Erträge der diversen
Frühjahrsprogramme deutscher und internationaler Verlage.
Eine sehr positive Grundstimmung prägt den
Inhalt und das Erscheinungsbild der 27. Ausgabe des von Michael K. Iwoleit und Michael
Haitel herausgegebenen Science-Fiction-Magazins NOVA (p.machinery, 290
Seiten). Die im März 2019 erschienene Themenausgabe will „Neue Wege zur Utopie“
aufzeigen. Die zehn Stories von Dirk
Alt, Marcus Hammerschmitt, Frank W. Haubold, Frank Hebben, Martin Mächler,
Frank Neugebauer, Barbara Ostrop, Tobias Reckermann, Thomas Sieber und C. Stuart Hardwick beschreiben
zukünftige „Idealgesellschaften mit kleinen Schönheitsfehlern“ und zeigen auf
den berühmten „Hoffnungsschimmer im Hoffnungslosen“. Die vielen farbigen und
schwarzweißen Illustrationen, u. a. von Stas
Rosin, Christian Günther, Susanne Jaja und Paul Lehr, machen aus dieser Ausgabe zudem fast ein „Bilderbuch“.
Auch der 50-seitige Sekundärteil beschäftigt sich mit der Utopie: Andreas Heyer plädiert für eine weitere
Verschmelzung von SF und Utopie und Horst
Illmer stellt mit DER KAISER VON EUROPA eine fast vergessene
gesamteuropäische Friedensutopie aus dem Jahr 1895 vor. Das große Harald Lesch-Interview wird mit dem 2.
Teil zu Ende geführt und Nachrufe auf Harlan
Ellison und Achim Mehnert runden
den überaus gelungenen Band ab.
Nachdem es einige Jahre sehr still um den
einstigen Comic-Superstar Frank Miller
geworden war, lässt er es inzwischen wieder ordentlich krachen: Nach dem
überraschend gut gelungenen DARK KNIGHT III – THE MASTER RACE (2016) ist er im
Frühjahr 2019 mit XERXES (Dark Horse) präsent. Die Graphic Novel mit dem
ellenlangen Untertitel „The Fall of the House of Darius and the Rise of
Alexander“ greift den historischen Stoff der Perserkriege und der
Eroberungszüge Alexanders des Großen auf (spart dabei allerdings die Ereignisse
aus, die Miller 1998 im Vorgänger-Comic 300 thematisiert hat). Da Millers
Erzählweise inzwischen ähnlich fragmentiert daherkommt wie sein Zeichenstil,
ist es von Vorteil, wenn man sich vor der Lektüre ein wenig in den Stoff
einliest. Das von Miller selbst komplett gezeichnete und geschriebene Buch (nur
die Kolorierung ist von Alex Sinclair)
ist in einem riesigen Querformat (26 x 32 cm) angelegt, umfasst gut einhundert
Seiten (inklusive einiger Bonuszeichnungen von Künstler-Kollegen wie Paula Andrade, Walter Simonson, Andy Kubert
und Bill Sienkiewicz) und ist
hervorragend verarbeitet. Die deutsche Ausgabe ist (deutlich verkleinert) im
April bei Cross Cult erschienen. Miller selbst wendet sich jetzt neuen Aufgaben
zu: Ab Juni 2019 erzählt er in SUPERMAN – YEAR ONE die Geschichte des größten
aller Superhelden neu. Man darf gespannt sein, was dieser wiedererwachte Kreativvulkan
noch alles auswirft.
Das vom großartigen Alan Moore mitentwickelte CROSSED + EINHUNDERT geht im soeben bei
Panini erschienen Band MIMIC (Softcover und limitiertes Hardcover, 200 Seiten) bereits
in die vierte Runde. Die von Christos
Gage geschriebene und von Emiliano
Urdinola gezeichnete Geschichte aus einer Zukunft in der Menschen und
Infizierte scheinbar unversöhnlich gegeneinander kämpfen müssen, entwickelt
sich immer noch in sehr unvorhersehbarer Weise weiter. Vor allem die Figur der
Archivarin Julie gewinnt immer mehr Tiefe und wird für die Handlung
bedeutsamer. Wegen der drastisch und explizit dargestellten Gewalt- und
Sex-Szenen trotzdem nur eingeschränkt für ein erwachsenes Publikum zu
empfehlen.
Den Wiener Autor Marc Elsberg zwischen Andreas
Eschbach und Frank Schätzing
einzuordnen ist vielleicht ein wenig ungerecht, andererseits kann man sich dann
ja wenigstens so in etwa vorstellen, was einen als Leser erwartet. Aber selbst
wer seine bisherigen Romane BLACKOUT, ZERO und HELIX kennt, dürfte von GIER
(Blanvalet, 450 Seiten, Hardcover) einigermaßen überrascht werden. Was wie ein
gewöhnlicher Thriller mit dem Mord an einem Nobelpreisträger beginnt, gefolgt
von einer fast vierhundert Seiten langen rasanten Verfolgungsjagd, zeigt in
einem halben Dutzend „Zwischenspielen“ anhand eines utopischen Spielmodells,
dass die Frage „Wie weit würdest du gehen?“ (Untertitel) im Rahmen unserer
„Ich-will-immer-mehr-Gesellschaft“ in die falsche Richtung führt. Ein Anhalten,
Nachdenken und Neubewerten sozio-ökonomischer Gesetzmäßigkeiten könnte
erstaunlicherweise zu positiven Ergebnissen führen – aber will das jemand? Ein
unterhaltsames und kluges Buch, das am Schluss noch nicht am Ende ist.
Der Roman MIAMI PUNK des 1989 in
Seligenstadt geborenen „Fast-Franken“ Juan
S. Guse, erschienen als Hardcover mit Schutzumschlag im S. Fischer Verlag
und stolze 637 Seiten stark, beginnt und endet mit einem jener schwer zu
deutenden Nadeldrucker-Bilder, die entstehen, wenn gelangweilte Büromenschen
mittels Buchstaben, Punkten, Sonderzeichen und viel Zeit das Letzte aus einem
Farbband herausholen. Dazwischen erzählt der Autor von der amerikanischen
Rentner-Hochburg Miami, die, aufgrund einer unerklärlichen Laune der Natur vom
Meer verlassen, jetzt inmitten einer austrocknenden Sumpflandschaft liegt.
Nicht nur das Setting, auch die Sprache und die verwendeten Stilmittel erinnern
stark an J. G. Ballard in seinen
besten New Wave-Tagen. Ein Buch also, auf das man sich einlassen, das man
„erfühlen“ muss, und dessen Inhalt nachzuerzählen sinnlos ist. Als Experiment
ist MIAMI PUNK gelungen – wie die Leser auf dieses aus der Zeit gefallene Werk
reagieren, bleibt unvorhersehbar. Als Schmuckstück für die Sammlung taugt der
Klotz auf jeden Fall, denn das Coverbild von Alice Conisbee, das unter dem Schutzumschlag zum Vorschein kommt,
ist großartig!
Von der unglaublich sympathischen Becky Chambers, die zudem noch
wundervolle Science Fiction schreibt, ist mit UNTER UNS DIE NACHT (TOR, 460
Seiten, kartoniert) der dritte Roman aus dem „Wayfarer-Universum“ erschienen. Wie
gewohnt beschäftigt sich die Autorin sehr mit den Gedanken und Gefühlen ihrer
Protagonisten ohne dabei die Spannung aus dem Blick zu verlieren. Eine
Zukunftswelt in der frau sich wohlfühlt (und Mann durchaus mal reinlesen
sollte).
Mein lieben Freunde von The Dandy is Dead
präsentieren im März 2019 bereits zum dritten Mal ein BASEMENT TALES-Heft,
diesmal mit der Byline „Who’s the Dead Person in the Pool?“ Auf 64 Seiten
erzählen mit Sonja Rüther, Hans Gerhard,
Juma Kliebenstein und M. H.
Steinmetz vier AutorInnen ihre Geschichten zu diesem Thema (inklusive einem
alternativen Ende zu einer der Stories). Beim für diesen Verlag so wichtigen
Design hat sich durch die Zusammenarbeit mit einer Kunsthochschule der glückliche
Umstand ergeben, dass gleich dreizehn Kunstwerke zu den Geschichten vorhanden
waren (Komplettsammler lesen hier besser nicht weiter …), sodass nun jeweils zwei
davon in willkürlicher Mischung je einem der 500 Hefte der Erstauflage
beiliegen. Auf der dritten Umschlagseite gibt es dann einen Überblick über alle
Poster. Der umlaufende Umschlag mit dem blutigen Pool-Stillleben stammt von Stefan Hübsch und für den Zusammenhalt
sorgt wie gewohnt ein Plastikbeutel.
Was für eine Utopie! In Bina Shahs Roman DIE GESCHICHTE DER
SCHWEIGENDEN FRAUEN (Golkonda, 330 Seiten, Hardcover) bezahlen die Männer der
Zukunft Geld dafür, dass sie einmal mit einer Frau zusammen sein dürfen und keinen Sex haben müssen! Diese
ungewöhnliche Geschichte bildet den Inhalt eines der ungewöhnlichsten Zukunftsromane
der letzten Jahre. Geschrieben wurde das Buch von einer in Pakistan geborenen
Autorin und Journalistin, die in den USA unter anderem Psychologie und
Erziehungswissenschaften studierte. Das dystopisch-feministische BEFORE SHE SLEEPS
(so der Originaltitel des von Annette
Charpentier übersetzten Textes) ist bereits ihr fünfter Roman. Bina Shah
lebt heute wieder in Karachi.
So, es ist soweit: Eine epische
Science-Fiction-Geschichte findet ihr angekündigtes Ende. Mit JENSEITS DER ZEIT
(Heyne, Klappenbroschur) liegt der heiß erwartete Abschlussband der
TRISOLARIS-Trilogie von Cixin Liu
vor. Wieder einmal verläuft die Handlung in ganz anderen Bahnen als ein von
westlicher SF geprägter Leser erwartet. Die chinesische Erzählweise hat andere
Traditionen und Konventionen und so ist das Gefühl der „Fremdheit“ diesmal
nicht nur der Kultur der Außerirdischen geschuldet. Liu beginnt nochmal bei den
Ereignissen der Jetztzeit von DIE DREI SONNEN, macht diverse Zwischenstopps bei
Geschehnissen die im zweiten Teil (DER DUNKLE WALD) wichtig waren und führt die
Handlung dann in die Zeit des Eintreffens der Flotte der Trisolarier – und
darüber hinaus. Bei den Figuren begegnen uns einige alte Bekannte, doch dann
übernimmt eine neue Generation den Staffelstab. Mit fast 1000 Seiten ist
JENSEITS DER ZEIT ein würdiger Endpunkt einer außergewöhnlichen
Zukunftshistorie. Der Roman wurde von Karin
Betz aus dem Chinesischen übersetzt und hat einen umfangreichen Anhang mit
Hinweisen zur Aussprache und einem sehr hilfreichen Einzelstellenkommentar.
Zeitgleich erschien, eingelesen vom bewährten Schauspieler und Sprecher Mark Bremer, die ungekürzte
Hörbuchfassung bei Random House Audio (drei mp3 CDs mit fast 27 Stunden
Laufzeit).
Der 1965 im tauberfränkischen Weikersheim geborene
Michael Marrak ist eines der wenigen
echten Multi-Talente der deutschen Science-Fiction-Szene, die er mit seinen
Kurzgeschichten, Romanen und Grafiken seit vielen Jahren bereichert. Im
Memoranda Verlag ist jetzt mit QUO VADIS, ARMAGEDDON? (Klappenbroschur, 340
Seiten) der erste von zwei Bänden mit seinen „besten Erzählungen“ erschienen.
Die insgesamt neun Stories geben einen guten Überblick über das Schaffen
Marraks in den letzten 25 Jahren. Viele davon, wie z. B. „Die Stille nach dem
Ton“, wurden mit Preisen ausgezeichnet und erweisen sich als unverwüstliche,
nicht an ihre Entstehungszeit gebundene Kabinettstückchen, deren
(Wieder-)Lektüre sich in jedem Fall lohnt.
Nochmal Kurzgeschichten: Nachdem seine
erste Konzept-Anthologie NIGHTHAWKS (2017) mit Stories bekannter Autoren zu
Bildern von Edward Hopper ein
Bestseller wurde, legt Herausgeber Lawrence
Block nun mit DAS MÄDCHEN MIT DEM FÄCHER (Droemer, Hardcover, 350 Seiten)
nach. Diesmal durften/sollten 17 SchriftstellerInnen (unter ihnen Lee Child, Joyce Carol Oates, Joe Lansdale und Kristine Kathryn Rusch) ihre
Geschichten „nach berühmten Kunstwerken“ sehr unterschiedlicher Künstler aus
vielen verschiedenen Epochen schreiben. Die Bandbreite der Vorlagen reicht von Hieronymus Bosch, Auguste Renoir und Paul Gauguin bis hin zu Salvador Dali, Norman Rockwell und René Magritte. Spannende Ergebnisse
lieferten aber auch die Erzählungen zu einer Bronzefigur von Auguste Rodin, einem Farbholzschnitt
von Hokusai, dem „David“ des Michelangelo oder einer Höhlenmalerei
aus dem französischen Lascaux. Natürlich sind alle Kunstwerke auf Tafeln vor
die jeweiligen Texte gestellt – so macht Kunstgeschichte Spaß!
Mit zu den spannenden Momenten beim
Ansehen, Lesen und Sammeln von utopisch-phantastischen Büchern, Magazinen und
Filmen gehört der Augenblick, in dem man erkennt: Das ist ja Science Fiction!
Häufig geschieht das bereits beim ersten Hinschauen anhand des Titelbildes, des
Umschlags, des Filmplakats, des Werbeposters. Und neben den futuristischen
Fahrzeugen, den Raketen und den merkwürdigen Aliens, die sich da tummeln, ist
es sehr oft die Architektur, die unsere Phantasie „augenblicklich“ in eine
fremde, zukünftige Welt versetzt. Diesem literarischem Faszinosum stellt der britische
Architektur- und Design-Kritiker Philip
Wilkinson nun mit dem ATLAS DER NIE GEBAUTEN BAUWERKE (dtv, Hardcover, 250
Seiten) eine „Geschichte großer Visionen“ gegenüber, die nicht von Literaten,
sondern von Architekten, Baumeistern oder bildenden Künstler stammen. Beginnend
im Mittelalter, als Benediktinermönche in St. Gallen ein „ideales“ Kloster
errichten wollten, über spektakuläre Entwürfe der Aufklärungszeit (z. B. Inigo Jones’ „Whitehall Palace“ oder Christopher Wrens erster Plan für die
„St.-Pauls-Kathedrale“), bis hin zu den Meisterarchitekten der Neuzeit (Walter Gropius, Frank Lloyd Wright, Norman
Bel Geddes) und Gegenwart (Richard
Buckminster Fuller, Rem Koolhaas). Besonderen Spaß macht es, so visionäre
Dinge wie den begehbaren „Triumph-Elefanten“ aus dem Jahr 1758 zum Beispiel mit
den riesigen KING KONG-Figuren zu vergleichen, die Hollywood Jahrhunderte
später zusammenbaute, oder die „Grüne Architektur“ Vincent Callebauts aus dem Jahr 2013 zu betrachten, deren
graphische Darstellung jederzeit einen SF-Roman schmücken könnte. Naturgemäß
haben es alle diese Projekte nicht geschafft, tatsächlich das Licht der Welt zu
erblicken. Aber sie existierten nicht nur im Geist ihrer „Erfinder“, sondern
schafften es zumindest aufs Zeichenpapier, kamen in die Phase der Planung, der
Berechnung, ja manchmal sogar schon in jenen Bereich wo Kostenkalkulation und
Ortsbesichtigung eine Realisierung wahrscheinlich werden ließen. Letztlich ist
dann doch wieder „nur“ Literatur daraus geworden – aber eben auch ein
faszinierend anzuschauendes Bilderbuch.
Apropos Bilderbuch: Dafür haben wir
hierzulande ja den einen oder anderen Spezialisten. Zum Beispiel den
hochverehrten, vielgelesenen Walter
Moers. Dieser Herr, auf dessen seit Langem versprochene Fortsetzung der
Geschichten aus der Bücherstadt Buchhaim wir seit Jahren warten, hat soeben
eine Geschichte aus der Bücherstadt Buchhaim vorgelegt, die den Titel DER
BÜCHERDRACHE (Penguin, Hardcover, 160 Seiten) und die Bezeichnung „Roman“
trägt. Und ähnlich wie bei der letztjährigen Weihnachtsgeschichte WEIHNACHTEN
AUF DER LINDWURMFESTE ist das Publikum hin und her gerissen zwischen der Freude
über ein neues Buch von Walter Moers und der Frustration darüber, dass es
erneut nicht der dritte TRÄUMENDE BÜCHER-Band geworden ist. Diesmal erzählt
Moers von Hildegunst von Mythenmetz, der in einem Traum von einem Buch
verschlungen wird, in dem ihm das gleiche nochmals passiert, bevor er dann von
dem Buchling Hildegunst Zwei durch einen Spiegel geführt wird und ihm dieser
dann die Geschichte vom Bücherdrachen Nathaviel erzählt. Illustriert mit vielen
Bildern und groß und mit breitem Rand gedruckt, liest sich diese Geschichte
wunderbar flüssig und spannend und ist leider nur allzu schnell vorbei. Also:
Moers kann einfach unglaublich gut Geschichten erzählen – nur erzählt er halt
nicht das, was seine (Hardcore-)Leser wollen, sondern wie es ihm gefällt. Und
die Leseprobe aus dem als „nächstes Buch“ angekündigten Werk DIE INSEL DER 1000
LEUCHTTÜRME rückt ihn für manchen Fan schon sehr in die Nähe des allgemein als
Negativbeispiel für nicht abgelieferte Fortsetzungen angesehenen George R. R. Martin …
Den Abschluss und Höhepunkt unserer
diesmaligen Empfehlungen bildet ein Roman, der seit seinem ersten Erscheinen im
Jahr 1957 die Leserschaft spaltet und so kontrovers diskutiert wird wie es
einem Meisterwerk der Weltliteratur zusteht. Gemeint ist ATLAS SHRUGGED von der
russisch-amerikanischen Philosophin Ayn
Rand. Obwohl das Buch zu den wirkungsmächtigsten literarischen Werken zählt
und in den USA niemals „out-of-print“ war (und trotz der drei vorliegenden
unterschiedlichen Übersetzungen ins Deutsche) ist es bei uns kaum bekannt und
noch weniger beliebt. Die Londoner Folio Society hat 2018 diesem utopischen
Kolossalwerk ein Büchermonument für die Ewigkeit errichtet und eine wunderschöne
dreibändige illustrierte Ausgabe herausgebracht. Für
die Einleitung wurde der Essayist Michael
Dirda verpflichtet und der Einband und die Illustrationen im Art Deco-Stil
stammen von den italienischen Schwestern Anna
und Elena Balbusso, die für ihre Arbeiten als Designer und Illustratorinnen
schon mehrfach international ausgezeichnet wurden. Die zusammen 1576 Seiten
Text bilden den Inhalt der drei großformatigen, mit Silberfolie überzogenen und
in den Farben Rot, Schwarz und Weiß im Prägeverfahren bedruckten Pappbände, die
gemeinsam in einem hochwertigen silberfarbigen Schuber stecken. Wer sich jetzt
für dieses Prachtstück interessiert, kann im Internet auf der Homepage der
Folio Society erste Eindrücke und viele Informationen sammeln und sich danach
auf YouTube noch ein paar Videos dazu ansehen. Welche der vielen vorhandenen
Ausgaben man sich für eine Lektüre besorgt, kann und sollte wohlüberlegt
werden, welche Ausgabe man in einer wohlsortierten Sammlung braucht, ist dafür
ab sofort geklärt.
„Professor Lesch […] eine
allerletzte Frage zum Schluss. Es ist eine Ja-Nein-Frage: Ist Rick Deckard ein
Mensch oder ein Androide?
Er ist ein Mensch.
Ein Mensch?
Ja, irgendwie schon, ja.“
Thomas A. Sieber – „Interview
mit Prof. Harald Lesch“, in: NOVA 27 (S. 273)
„Ich
konnte mich nicht daran erinnern, diesen Text je geschrieben zu haben. Es war
jedoch beim Lesen dieser stilistisch minderwertigen Kurzgeschichte, dass ich
mit den Tränen zu kämpfen hatte …“
Juan S. Guse – MIAMI
PUNK (S. 112)
„Wie zuvor lade ich Sie alle ein: Erfinden Sie Ihre eigene
Geschichte zu [einem dieser] stimmungsvollen Gemälde. Denken Sie sich eine
Story aus – und falls Ihnen so etwas liegt, schreiben Sie sie auf. Aber
schicken Sie sie nicht an mich. Ich bin hier fertig.“
Lawrence
Block – „Vorwort“, in: DAS MÄDCHEN MIT DEM FÄCHER (S. 13)
„Um sich von seinen traumatischen Erlebnissen in den Katakomben
von Buchhaim zu erholen, begibt sich Hildegunst von Mythenmetz auf Empfehlung
seines Arztes zur Kur auf die Nordmeerinsel Eydernorn, der man das gesündeste
Klima Zamoniens nachsagt. Aber statt Heilung und Erholung zu finden, gerät
Mythenmetz […] in ein Gespinst von mysteriösen Ereignissen und schließlich in
einen Strudel von gefährlichen Abenteuern …“
Werbetext für DIE
INSEL DER 1000 LEUCHTTÜRME
„Es scheint ein bisschen so zu sein, dass sich die Pulp-Ära des
Internets und Print-on-Demands, in der auf Teufel komm raus veröffentlicht
wurde, zum Besseren wandelt. Durch Diskussionen, Rezensionen und Artikel ist
wohl doch ein Prozess in Gang gekommen, der zur Qualitätssteigerung führt.“
Christian
Steinbacher – „Editorial“, in NOVA SF 27 (S. 7)