TEMPORAMORES - Newsletter # 301 - 12.5.2019




KURZMELDUNGEN

Natürlich hat (Gast-)Herausgeber Hannes Riffel recht, der in seinem (Gast-)Editorial in der Neuen Rundschau darüber sinniert, dass es vermutlich mehr (also doch einige) Leser der Neuen Rundschau gibt, die mit dem Begriff „Phantastik“ etwas anfangen können, als Phantastik-Leser, die wissen, dass es die Neue Rundschau gibt (nahezu Null). Um nun beiden Gruppen eine gemeinsame Lektüre zu ermöglichen, hat der S. Fischer Verlag, in dem die Literaturzeitschrift Neue Rundschau seit 130 Jahren erscheint, aus dem Heft 1/2019 (ISBN 978-3-10-809117-0) eine Themenausgabe gemacht, die sich unter dem (altehrwürdigen) Titel JENSEITS VON RAUM UND ZEIT mit der „phantastischen Literatur im 21. Jahrhundert“ beschäftigt. Auf fast 300 Seiten bekommt die Leserschaft in achtzehn Beiträgen die größtmögliche Qualität an aktueller Primär- und Sekundärliteratur geboten, die sich auf so beschränktem Raum unterbringen lässt: Kurzgeschichten von Andreas Eschbach, Mary Robinette Kowal, Seth Dickinson und H. P. Lovecraft; Essays von Dietmar Dath, Karen Nölle, Anja Kümmel und Ursula K. Le Guin; Übersichtsartikel zum „Worldbuilding“ und zur Genregeschichte von Lars Schmeink, Franz Rottensteiner, Erik Simon, Christian Endres, Karlheinz Steinmüller, Bernhard Hennen, nochmals Andreas Eschbach und Helmut W. Pesch. Wie immer in solchen Fällen handelt es sich um eine „Momentaufnahme“ – aber das vermittelte Bild ist vielfarbig und von exzellenter Tiefenschärfe. Ein (Erkenntnis-)Gewinn für alle Seiten.

Irgendwie hat man so das Gefühl, dass unsere „Helden“ in letzter Zeit einfach nichts mehr veröffentlichen – galaxisweite Schreibblockade? Aber nein. Daran ist wohl nur die eigene Ungeduld schuld. Nachdem gerade erst Walter Moers seinen BÜCHERDRACHEN losgeschickt hat, liegt jetzt der aktuelle Roman China Miévilles, DIE LETZTEN TAGE VON NEU-PARIS (Golkonda, ISBN 978-3-946503-86-6, 250 Seiten, Klappenbroschur), in den Regalen. Thema des Buches sind die französischen Surrealisten um André Breton, die sich im Jahr 1941, anders als es uns die bisherige Geschichtsschreibung überliefert hat, mit den nur ihnen eigenen Mitteln gegen die deutschen Besatzer zur Wehr setzen. Diese alternative Zeitlinie, in der sich Nazis und Résistance einen endlosen Kampf um die französische Hauptstadt liefern, bildet den Kern der Erzählung, die dann zwischen 1950 und 1941 hin und her pendelt, jede Menge Haupt- und Nebenwerke des Surrealismus zum Leben erwachen lässt, eine romantische Liebesgeschichte nicht verschmäht und über den Romantext hinaus in das Nachwort und die Anmerkungen des Autors hineinwuchert. Für den Übersetzer Andreas Fliedner alle Hochachtung: da war bestimmt ein kleines Kunststudium nötig. Und für Moers-Apologeten streut Miéville auch noch eigene kleine Zeichnungen ein. Insgesamt steckt deutlich mehr in diesem schmalen Büchlein als es auf den ersten Blick scheint.



ZITAT

„Treibe auf keinen Fall Sport und sei so in dir ruhend wie Tschernobyl. Verzichte grundsätzlich auf Psychopharmaka. Wer kann schon schreiben, als glücklicher Mensch?“

Isabelle Lehn – ANKLEBEN VERBOTEN! (Beilage zu Neue Rundschau, Heft 1/2019)



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