TEMPORAMORES - Newsletter # 303 - 20.6.2019




KURZMELDUNGEN

Die Titel, die in diesem Newsletter vorgestellt werden, bedürfen (leider) einiger Anstrengung, um in ihren Besitz zu gelangen. Diese lohnt sich allerdings in allen Fällen.

Beginnen wir mit einem außergewöhnlichen Science-Fiction-Comic von Katia Fouquet nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick. ACH, ALS BLOBBEL HAT MAN’S SCHWER! (Büchergilde Gutenberg, ISBN 978-3-7632-6046-1, 32 Seiten plus 24 Seiten Beilage, Heft mit Schutzumschlag), geschrieben/veröffentlicht 1964, ist Dicks satirische Auseinandersetzung mit den posttraumatischen Auswirkungen geheimdienstlicher Spionagearbeit auf die Psyche der eingesetzten Agenten. Durch eine Aneinanderreihung irrwitziger Plot-Twists zeigt Dick die Sinnlosigkeit jeder Art von Kriegsführung. Katia Fouquet hat daraus einen farbenfrohen Comic gemacht, der im Juni 2019 in der Reihe Die Tollen Hefte in einer auf 2000 Exemplare limitierten Ausgabe erschienen ist. Neben der hochwertigen Verarbeitung (Fadenheftung, umlaufender Schutzumschlag, Flachdruck in vier Sonderfarben) ist noch die (ebenfalls illustrierte) Beilage mit dem Prosatext der Geschichte in der Übersetzung von Thomas Mohr erwähnenswert – und natürlich die auf 150 Hefte limitierte Vorzugsausgabe mit einer signierten Druckgrafik. Gibt’s leider nur für Mitglieder der Büchergilde.

Etwas leichter bekommt man die englischsprachige illustrierte Neuausgabe von Philip K. Dicks lustigstem Zukunftsroman UBIK, erschienen im Frühsommer bei der in London residierenden Folio Society (208 Seiten, Pappband im Schuber). Wie immer bei der Folio Society werden die höchsten Ansprüche an Buch- und Textgestalt erfüllt (bzw. übertroffen). Das Buch hat ein Vorwort von Dick-Kenner Kim Stanley Robinson und acht Farbbilder von La Boca, einem Designstudio, das auch die Vorsätze und den Einband gestaltet und aus dem Schuber ein Kunstwerk von eigenem Rang gemacht hat. Auf der Homepage des Verlags finden sich Bilder und Videos sowie die Möglichkeit, das Buch zu bestellen.

Sprichwörter-, Aphorismen- und Zitat-Sammlungen gehören mentalitätsgeschichtlich in lange vergangene Zeiten. Heute gibt es trotz der allgegenwärtigen Hetzerei keine Zeit mehr für solche Texte – langes Nachdenken über einen kondensierten Gedanken ist uncool. Wer’s trotzdem versuchen mag, sollte sich DIE LUST AM BUCH (Insel, ISBN 978-3-458-19464-4, 167 Seiten, Pappband) von Michael Hagner zulegen. Die einzige Anstrengung, die dieses Buch von uns verlangt, ist es, einen Einband zu ertragen, auf dem lauter leere Bücherregale abgebildet sind.



ZITAT

„Wenn das Haus fertig ist, kommt der Tod, lautet ein arabisches Sprichwort. Das gilt auch für die Bibliothek. Vielleicht erklärt sich daraus der Anflug von Trauer, wenn man in einem bestimmten Sammelgebiet endlich alles besitzt. Nichts mehr ist zu erledigen, und in dieser hektischen Situation muss man sich umschauen, um etwas anderes zu sammeln oder sich anders einzurichten. Wie klein oder groß auch immer die Dimensionen sein mögen: Die Bibliothek darf nie fertig werden.“

Michael Hagner – DIE LUST AM BUCH (S. 162)



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