Ein Konzept zu entwickeln und umzusetzen
kann manchmal echt nerven – und dann wieder gibt es Tage, an denen klappt
einfach alles. Einer dieser Tage war es wohl, als die EXODUS-Jungs beschlossen, ein Themenheft mit Geschichten und
Bildern zum Planeten Mars anzugehen. Was dann über ihnen hereinbrach, war auch
in der gar nicht so kurzen Geschichte dieses herausragenden Magazins für
„Science Fiction Stories & phantastische Grafik“ einzigartig: Die Stories
und Grafiken übertrafen in Anzahl und Qualität alles Erwartbare! Und so blieb
den Herausgebern um René Moreau und Heinz Wipperfürth gar nichts anderes
übrig, als eine „Doppelnummer“ zu veröffentlichen. Da man bei EXODUS immer auch darauf schaut, dass
die Bilder in bestmöglicher Form präsentiert werden, erschienen also die
Nummern 40 und 41 gleichzeitig in zwei Einzelheften (MARS, Teil 1 und 2, je 110
S.), jeweils mit umlaufendem Umschlagbild (von Dirk Berger bzw. Rainer
Schorm, denen dann auch die jeweiligen „Galerie“-Beiträge gewidmet sind),
eigenen Editorials, einer Handvoll Gedichten und zusammen mehr als zwanzig
überwiegend illustrierten Kurzgeschichten. Mit dabei sind: Andreas Eschbach, Meike Schultchen, Angela & Karlheinz Steinmüller,
Victor Boden, Norbert Stöbe, Thomas Franke, Hubert Schweizer, Horst Pukallus
und – als einziger mit zwei Stories vertreten – Christian Endres. Ein kleines „Geheimnis“ (kein Wunder bei diesem
rätselhaften Planeten) bleibt das Pseudonym Frank N. Schatz, unter dem ein „deutscher Thriller- und SF-Autor“
meine persönliche Lieblingsgeschichte „David and the Spiders“ abgeliefert hat. Bestellungen
über www.exodusmagazin.de sind ab
sofort möglich (und ein Blick auf die Backlist-Sonderangebote ist auch nicht
verkehrt).
Im Grunde sehr ähnlich, im Detail jedoch
grundverschieden, kommt die Ausgabe 29 von NOVA
Science-Fiction (p.machinery, ISBN 978-3-95765-205-8, 220 S.), dem von Michael K. Iwoleit & Michael Haitel
herausgegebenen Paperback-Magazin, auf den Markt. Auch hier gibt es
Kurzgeschichten und Sachtexte, Illustrationen und ein Editorial. Allerdings
steht bei NOVA eindeutig das geschriebene Wort im Mittelpunkt, die
Illustrationen bleiben genau das – und der Sekundärteil (den Thomas Sieber betreut) nimmt inzwischen
ein gutes Viertel des Platzes ein. Die aktuelle Nummer beschäftigt sich zum
Beispiel schwerpunktmäßig mit der „Simulations-hypothese“ (WELT AM DRAHT, UBIK,
MATRIX usw.), bringt Nachrufe auf Syd
Mead und Mike Resnick, beginnt
mit einem launigen Vorwort des Verlegers und punktet ansonsten mit elf Stories,
unter anderem von Uwe Post, Frank Hebben
und dem allgegenwärtigen Norbert Stöbe.
Und dann war ich mal für drei Tage in
Berlin und entdeckte dort: QUEER*WELTEN,
ein „vierteljährlich erscheinendes queerfeministisches Science-Fiction- und
Fantasy-Zine“ im klassischen Heftchen Format (Ach je Verlag, 56 bis 64 Seiten),
von dem bisher zwei Ausgaben erschienen sind (01-2020 und 02-2020).
Herausgegeben wird das Magazin von Judith
Vogt, Lena Richter und Kathrin
Dodenhoeft, der Inhalt besteht aus Kurzgeschichten, Comics, Gedichten,
einem Sachtext und einem „Queertalsbericht“, in dem derzeit vor allem
Rezensionen zu lesen sind, da Pandemie-bedingt Veranstaltungen und ähnliches ja
leider ausfallen. Auch wenn ich nicht wirklich die „Zielgruppe“ dieses
engagierten Projekts bin, halte ich es doch für absolut notwendig und wünsche
den QUEER*WELTEN viel Erfolg. Im Netz
zu finden unter https://queerwelten.de/
und ab sofort auch im Abo erhältlich.
Und dann war ich mal kurz in meiner
Lieblingsbuchhandlung und fand dort ein ganz tolles Jugendbuch von Thomas Harding (einem Engländer mit
deutschen Wurzeln), das den Titel FUTURE HISTORY 2050 (Jacoby & Stuart,
ISBN 978-3-96428-057-2, 190 S.) trägt und dessen graphische Gestaltung von Florian Toperngpong übernommen wurde.
Erzählt wird, wie ein Wissenschaftler im Jahr 2020 im Archiv einer Bibliothek
eine Kiste voller Notizbücher findet, die aus dem Jahr 2050 stammen und in
denen von der dann 14-jährigen Billy Schmidt die Geschichte unserer nächsten
Zukunft niedergeschrieben ist – unter Beigabe einer ganzen Reihe von Bildern,
Zeichnungen und Beilagen. Da der Wissenschaftler den Inhalt für wichtig und
brisant hält, veröffentlicht er Billys FUTURE HISTORY mit einigen erklärenden
Fußnoten. Und ob die Dinge sich dann so entwickeln wie sie Billy Schmidt von
ihrer Oma erklärt wurden, entscheiden wir heutigen Leser mit …
Und dann bekam ich von einer lieben
Freundin noch den Hinweis, dass mit CHILDREN OF VIRTUE AND VENGEANCE –
FLAMMENDE SCHATTEN (FJB, ISBN 978-3-8414-4030-3, 492 S.) endlich der
Nachfolgeband zu Tomi Adeyemis
CHILDEN OF BLOOD AND BONE – GOLDENER ZORN aus dem Jahr 2018 erschienen ist. In
Adeyemis Geschichten dreht sich alles um den Verlust und die Rückkehr der Magie
in dem fiktiven afrikanischen Land Orisha, dessen zukünftiges Wohl und Wehe von
den Fähigkeiten der jungen Zauberin Zelie und dem Bestand ihrer Freundschaft
mit der Prinzessin Amari abhängen. Eine im besten Wortsinne zauberhafte
Jugendbuch-Reihe, deren Reiz sowohl in den exotischen Schauplätzen als auch in
der einzigartigen Erzählstimme der afro-amerikanischen Autorin liegt.
So, und jetzt habe ich ein Problem. Wie
„bespricht“ man ein Buch, in dem kein einziges Wort steht, ein „Bilder-Buch“ in
jedem nur vorstellbaren Sinn, in dem aber eine komplexe Geschichte erzählt
wird, in Bildern von einer solchen Einzigartigkeit, Eleganz und Prägnanz, dass
eine „Nach-Erzählung“ nur blass und unvollkommen geraten kann? Versuchen wir es
zuerst einmal damit, dass wir den Künstler nennen: Peter Van den Ende. Dann den Titel: TREIBEN LASSEN. Der Verlag:
Aladin. Die ISBN: 978-3-8489-0191-3. Das Format: Ein Pappband mit 31 Zentimetern
Höhe, 23,5 Zentimetern Breite und 96 unpaginierten Seiten. Und jetzt – der
Inhalt: „Ein Papierboot wird an Bord eines Segelschiffs gefaltet und vorsichtig
aufs Wasser gesetzt. Dann segelt das Schiff davon und lässt das Boot allein
zurück. Eine lange Reise über die Meere beginnt.“ So steht das auf dem hinteren
Deckel. Punkt. Nach einigen Recherchen im Internet könnte ich jetzt noch erwähnen,
dass Peter Van den Ende 1985 in den Niederlanden geboren wurde und 2019 dort
die Originalausgabe von ZWERFELING erschienen ist. Da TREIBEN LASSEN nur eine
von mehreren internationalen Ausgaben (übersetzen kann man das ja nicht nennen)
ist – z. B. THE WANDERER (USA/GB) und TRAVESIA (Spanisch) – und mit einem
Werbespruch von Shaun Tan (der einem
ohnehin sogleich einfällt) aufwarten kann, dürfte sich dieses Buch wohl in
Kürze von einem Geheimtipp zu einem Weltbestseller entwickeln.
„»Wie häufig mögen im Bundesgebiet die Orte sein, wo es kein
Coca=Cola gibt?« fragte er; ohne Groll, obgleich er bereits zum zweitenmal auf
die Bremse treten mußte, weil das fantastische Lastauto vor uns erneut
langsamer fuhr : groß wie die Wand eines 1=Familien=Fertighauses war das
Reklameschild am Heck geworden, (ganz abgesehen von dem Rot!). »Nach einer
Berechnung von Gauß so häufig,« antwortete ich, »wie 5 Fönixe, 10 Einhörner,
oder 22 Bedeckungen des Jupiter vom Mars.« »Kommt das überhaupt jemals
vor?«, erkundigte er sich. »Zum Beispiel am 5.1.1591.« entgegnete ich, geübt
& kalt; und er schnob mißtrauischer. Ölbohrtürme ringsum. Frau Technik
regte ihre mit Recht sogenannten Tausendgelenkezugleich.“
Arno Schmidt in: „Windmühlen“ (BA I/3, S. 281)