TEMPORAMORES - Newsletter # 335 - 1.2.21




KURZMELDUNGEN

Auch das Jahr 2021 beginnt mit einer neuen Ausgabe von phantastisch! (Nummer 81, Atlantis), unserem Lieblings-„Magazin für Science Fiction, Fantasy & Horror“. Diesmal u. a. mit zwei tollen neuen Kurzgeschichten von Julie Constantin und Rainer Schorm, vier Interviews, einem Dutzend lesenswerter Artikel und Comics, umfangreichem update- und Rezensions-Teil und einem eindrucksvollen Umschlagbild von Timo Kümmel. Da ist die moderate Preiserhöhung auf 6,50 Euro pro Heft leicht zu verschmerzen.

Leicht genervter Kommentar eines Komplett-Sammlers: Nach Ablauf des Copyrights für die Werke des 1950 verstorbenen George Orwell ist praktisch jeder Verlag in Deutschland der Meinung, dass es bisher noch nicht genug Ausgaben des Dystopie-Klassikers „1984“ gibt. (Mir reichen meine Fünfzig eigentlich schon.) Für die nächsten Monate sind mehr als zehn neue Übersetzungen angekündigt. Damit werden Hinweise auf einzelne Ausgaben an dieser Stelle hinfällig, da es in den Buchhandlungen dann sowieso nichts anderes mehr zu kaufen gibt. (Grummel, grummel, grummel) Einziger Lichtblick: In der Folge wird es wohl auch von Orwells FARM DER TIERE die eine oder andere Neuausgabe geben.

Als Hans-Dampf-in-allen-Gassen ist seit einiger Zeit der kanadische Comic-Künstler Jeff Lemire unterwegs. Gerade eben hat Panini zwei großformatige Hardcoverbände herausgebracht, die sehr schön zeigen, welchen Weg Lemire in kaum mehr als zehn Jahren zurückgelegt hat: Da ist zuerst einmal Band 1 der „Deluxe Edition“ von SWEET TOOTH, im Original von 2009 bis 2011, das jetzt (NETFLIX sei’s gedankt) in drei Teilen neu aufgelegt wird. Ganz am Anfang seiner Karriere, und doch schon im Vollbesitz seiner kreativen Fähigkeiten, schreibt und zeichnet Lemire hier (unterstützt nur durch den Koloristen José Villarrubia) einen postapokalyptischen Entwicklungsroman voller Mutanten, Außenseiter und anderen Zufalls-Überlebenden.

Aus dem Jahr 2019 ist dagegen die Graphic Novel SENTIENT, eine 170 Seiten lange Space Opera, die Lemire getextet und gemeinsam mit dem Zeichner Gabriel Walta für den amerikanischen Kleinverlag TKO Studios umgesetzt hat. Hier merkt man deutlich die Routine der beiden Künstler, aber eben auch, was für eine großartiger Geschichte sich erzählen lässt, wenn man die Kontrolle über sein Material behält und nicht dauernd befürchten muss, dass der Erfolg den einmal gefassten Plan „verwässert“ und nach immer neuen Fortsetzungen verlangt, wie es Lemire z. B. mit seinen BLACK HAMMER-Geschichten erging.

Wer es versäumt hat, sollte die Januar-Ausgabe von DRUCKFRISCH in der ARD-Mediathek anschauen, und zwar vor allem das Gespräch, das Denis Scheck mit der Wiener Autorin Raphaela Edelbauer geführt hat. Deren Roman DAVE erscheint in den nächsten Tagen bei Klett-Cotta. Das ist ganz große Kunst und (trotzdem) auch großartige Science Fiction.



ZITAT

„Als sich die ersten Galaxien, kräftig-rote Wirbel und ätherische Ringsysteme, bildeten, war noch niemand da, der ihre Schönheit hätte bewundern können.“

Raphaela Edelbauer  – DAVE (S. 5)



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