Auch das Jahr 2021 beginnt mit einer neuen
Ausgabe von phantastisch! (Nummer 81,
Atlantis), unserem Lieblings-„Magazin für Science Fiction, Fantasy &
Horror“. Diesmal u. a. mit zwei tollen neuen Kurzgeschichten von Julie Constantin und Rainer Schorm, vier Interviews, einem
Dutzend lesenswerter Artikel und Comics, umfangreichem update- und
Rezensions-Teil und einem eindrucksvollen Umschlagbild von Timo Kümmel. Da ist die moderate Preiserhöhung auf 6,50 Euro pro
Heft leicht zu verschmerzen.
Leicht genervter Kommentar eines
Komplett-Sammlers: Nach Ablauf des Copyrights für die Werke des 1950
verstorbenen George Orwell ist
praktisch jeder Verlag in Deutschland der Meinung, dass es bisher noch nicht
genug Ausgaben des Dystopie-Klassikers „1984“ gibt. (Mir reichen meine Fünfzig
eigentlich schon.) Für die nächsten Monate sind mehr als zehn neue
Übersetzungen angekündigt. Damit werden Hinweise auf einzelne Ausgaben an
dieser Stelle hinfällig, da es in den Buchhandlungen dann sowieso nichts
anderes mehr zu kaufen gibt. (Grummel, grummel, grummel) Einziger Lichtblick:
In der Folge wird es wohl auch von Orwells FARM DER TIERE die eine oder andere
Neuausgabe geben.
Als Hans-Dampf-in-allen-Gassen ist seit
einiger Zeit der kanadische Comic-Künstler Jeff
Lemire unterwegs. Gerade eben hat Panini zwei großformatige Hardcoverbände
herausgebracht, die sehr schön zeigen, welchen Weg Lemire in kaum mehr als zehn
Jahren zurückgelegt hat: Da ist zuerst einmal Band 1 der „Deluxe Edition“ von
SWEET TOOTH, im Original von 2009 bis 2011, das jetzt (NETFLIX sei’s gedankt)
in drei Teilen neu aufgelegt wird. Ganz am Anfang seiner Karriere, und doch
schon im Vollbesitz seiner kreativen Fähigkeiten, schreibt und zeichnet Lemire
hier (unterstützt nur durch den Koloristen José
Villarrubia) einen postapokalyptischen Entwicklungsroman voller Mutanten,
Außenseiter und anderen Zufalls-Überlebenden.
Aus dem Jahr 2019 ist dagegen die Graphic
Novel SENTIENT, eine 170 Seiten lange Space Opera, die Lemire getextet und
gemeinsam mit dem Zeichner Gabriel Walta
für den amerikanischen Kleinverlag TKO Studios umgesetzt hat. Hier merkt man
deutlich die Routine der beiden Künstler, aber eben auch, was für eine
großartiger Geschichte sich erzählen lässt, wenn man die Kontrolle über sein
Material behält und nicht dauernd befürchten muss, dass der Erfolg den einmal
gefassten Plan „verwässert“ und nach immer neuen Fortsetzungen verlangt, wie es
Lemire z. B. mit seinen BLACK HAMMER-Geschichten erging.
Wer es versäumt hat, sollte die
Januar-Ausgabe von DRUCKFRISCH in der ARD-Mediathek anschauen, und zwar vor
allem das Gespräch, das Denis Scheck
mit der Wiener Autorin Raphaela
Edelbauer geführt hat. Deren Roman DAVE erscheint in den nächsten Tagen bei
Klett-Cotta. Das ist ganz große Kunst und (trotzdem) auch großartige Science
Fiction.
„Als sich die ersten Galaxien, kräftig-rote Wirbel und ätherische
Ringsysteme, bildeten, war noch niemand da, der ihre Schönheit hätte bewundern
können.“
Raphaela Edelbauer – DAVE (S. 5)