FESTA, der Verlag bei dem „Lesen zur
Mutprobe“ wird, segmentiert sein immer umfangreicher werdendes Programm in
Reihen wie MUST READ oder SPECIAL. In letzterer ist Anfang 2021 der Kurzroman
MURGUNSTRUMM von Pulp-Hero Hugh B. Cave
(1910–2004) als Deutsche Erstausgabe erschienen. Die spannend-gruselige
Erzählung aus dem Jahr 1933 wurde von Susanne
Picard ins Deutsche gebracht, das Cover und die Illustrationen stammen von Lee Brown Coye (1907–1981), einem der
bekanntesten Zeichner von Schwarzweiß-Bildern für amerikanische
Horror-Magazine. Das mit dreiseitigem Farbschnitt und Lesebändchen aufwändig
gestaltete Hardcover ist ohne ISBN und nur beim Verlag erhältlich.
Merkwürdige Zeiten sind das, wenn eine der
(völlig zu Recht) beliebtesten Figuren aus einem aktuellen
Science-Fiction-Roman ein geläuterter „Killerbot“ ist (also eine Kampfmaschine,
die ursprünglich mal dafür gedacht war, auf Befehl alles zu zerstören was als
Ziel genannt wurde). Doch genau darum geht es in den Geschichten von Martha Wells, von denen die ersten vier
vor einiger Zeit unter dem Titel TAGEBUCH EINES KILLERBOTS bei Heyne
erschienen. Jetzt ist mit DER NETZWERK-EFFEKT das erste Killerbot-Abenteuer in
Romanlänge in den Buchhandlungen – und auch nach fast 500 Seiten will man
einfach immer weiter lesen. Denn diese Killerbot-Einheit ist einfach – ja,
sorry! – „knuddelig“. Es macht unglaublichen Spaß mit dabei zu sein, wenn
Killerbot damit Probleme hat, nach einer gefährlichen Rettungsmission und einem
nur knapp vermiedenen „Totalschaden“, den Handlungsfaden der TV-Serie Zeitpatrouille Orion wieder aufzunehmen
(„wozu es eigentlich nicht viel brauchte“, S. 459) und dann langsam die
Erkenntnis dämmert, dass sich neben Menschen auch ein Fifo („fieses
Forschungsschiff“) für soziale Interaktionen
eignet. Da verschlägt es selbst Killerbot (für ganze 2,2 Sekunden) die Sprache!
Eine echte Überraschung hat das
Orwell-Jahr 2021 dann doch auch zu bieten: Einen richtigen Science-Fiction-Roman
des leider viel zu früh verstorbenen schottischen Bestsellerautors Philip Kerr (1956–2018), der vor allem
mit seinen Berlin-Krimis um den Privatermittler Bernie Gunther und seiner
Jugend-Fantasy-Reihe DIE KINDER DES DSCHINN bekannt ist. Bereits 2015 übergab
er seiner deutschen Lektorin Christiane
Steen das Manuskript von „1984.4“. Steen hat den Roman nun bei Rowohlt-Rotfuchs
als posthume Welt-Erstveröffentlichung im Hardcover herausgegeben. Auf knappen
320 Seiten erzählt Kerr hier eine düstere, im Jahr 2034 angesiedelte
Coming-of-Age-Geschichte, die zwar auf George
Orwells Grundideen zurückgreift, daraus jedoch eine völlig eigenständige
Welt entwickelt. Dort wird nicht mehr gegen andere Nationen gekämpft, sondern
gegen die alten Menschen, die nicht „freiwillig“ aus dem Leben (und dem Sozialsystem)
scheiden wollen. Ob uns Heutigen diese
neue Version von „1984.4“ jedoch
„besser mundet“ als das Winston-Smith-England des originalen „1984“ darf/muss
jede/r Leser/in selbst kosten.
„ICH HASSE WINSTON“
„ICH HASSE WINSTON“
„ICH HASSE WINSTON“
„ICH HASSE WINSTON“
„ICH HASSE WINSTON“
Philip Kerr – 1984.4 (S.
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