TEMPORAMORES - Newsletter # 340 - 10.5.2021




KURZMELDUNGEN

Etwas unheimlich klingt der Titel DAS JÜNGSTE GERICHT (DvR, kartoniert, 130 S.) ja schon, den Hermann Ganswindt (1856–1934) seiner Schrift über „Das Weltenfahrzeug und anderen Erfindungen mit Illustrationen und Gutachten“ (Untertitel) zuteilwerden ließ. Wie sich jedoch schnell herausstellt, handelt es sich um eine 1899 erschienene Sammlung von Vortragstexten, Abbildungen, Essays und Patentbeschreibungen, in deren Mittelpunkt die Forderung des Erfinders und Unternehmers Ganswindt steht, gleich nach dem Bau eines lenkbaren Ballons und der „Lösung des sozialen Problems“ (wie er dem Kaiser in einer Eingabe erläuterte) an die Entwicklung eines rückstoßgetriebenen Raumschiffs (eben eines „Weltenfahrzeugs“) zu gehen. Es ist dem DvR-Verlag zu danken, dass das einzige Druckerzeugnis dieses fast völlig vergessenen „Großvaters“ der Weltraumschifffahrt zumindest als Faksimile-Nachdruck wieder vorliegt. Wer sich für Technikgeschichte oder auch nur für außergewöhnliche Charaktere interessiert, wird mit diesem kleinen Büchlein sicherlich seinen Spaß haben.

„Schneewittchen“ als sexy Vampir-Comic – auf sowas muss man erst mal kommen. Aber Neil Gaiman hat in der Vergangenheit ja bereits zur Genüge bewiesen, dass ihm nichts heilig und er durchaus in der Lage ist, solchen Neuinterpretationen das nötige Leben einzuhauchen. Die graphische Umsetzung hat diesmal die amerikanische Comiczeichnerin Coleen Doran über­nommen, die seit vielen Jahren ein Fan des irischen „Arts and Crafts“-Künstlers Harry Clarke (1889–1931, berühmt für seine farbigen Glasfenster) ist und dieser Vorliebe in SNOW, GLASS, APPLES (Splitter, Hardcover, 80 S.) ausgiebig folgen durfte. Die gleichzeitig fragil und opulent wirkende Umsetzung kommt im riesigen Albumformat hervorragend zur Geltung, der Verlag hat sich zudem bei der Deckelvergoldung nicht lumpen lassen und auch noch ein Skizzenbuch von Doran angehängt – kein Wunder also, dass SNOW, GLASS, APPLES alle möglichen Comic-Preise abgeräumt hat.

Zuletzt noch was für die Fans von Kurzgeschichten: Mit dem nötigen schwarzen Humor stellte der Verleger, Herausgeber und Übersetzer Joachim Körber das „kleine Corona-Weltuntergangs-Lesebuch“ mit dem Titel DIE SCHWARZE GRIPPE (Phantasia Paperback SF 1016) zusammen. Auf 224 Seiten balgen sich die Geschichten (und ein Gedicht) von elf klassischen bis modernen Autoren wie E. A. Poe, Jack London, Edgar Wallace, Richard Kadrey und Greg Egan darum, wer der Menschheit auf die originellste Weise den Garaus machen darf. Glücklicherweise ist das noch nicht entschieden – und bis dahin: Viel Vergnügen bei der Lektüre.



ZITAT

 „Mache darauf aufmerksam, dass ich Autodidakt im Klavierspiel bin, niemals eine Stunde Unterricht darin genossen und energische Übungen überhaupt erst seit letztem August getrieben habe.

Hochachtungsvoll

Hermann Ganswindt.“

 

Hermann Ganswind DAS JÜNGSTE GERICHT

(Annonce eines „Klavier-Concertes“ auf dem Umschlag)



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