TEMPORAMORES - Newsletter # 345 - 20.8.2021




KURZMELDUNGEN

Der Sommer zeigt nochmal die Zähne, aber gegen den heftig anbrausenden Bücher-Herbst ist das doch nur noch ein Rückzugsgefecht. Schreiten wir also zur „Blütenlese“:

Im gewohnten Halbjahresrhythmus legt Heyne den neuen Roman von Stephen King vor. Der Titelheld BILLY SUMMERS (ISBN 978-453-27359-7, 720 S.) ist zwar ein Auftragskiller, aber eigentlich auch ganz liebenswert. Jedenfalls, wenn man nicht auf seiner Liste steht und dringend Hilfe braucht. Kings neuestes Werk ist eine süffig zu lesende Mischung aus Psychothriller und Kammerspiel, besitzt eine kleine Schar Protagonisten, die man sofort ins Herz schließt und hat mit der metaliterarischen Volte eines Romans im Roman auch stilistisch einiges zu bieten. Eines von den guten King-Büchern.

Einerseits schätze ich Sascha Mamczak als Verfasser wohldurchdachter, philosophisch gut begründeter Essays, die regelmäßig auf www.diezukunft.de erscheinen. Andererseits schrieb er 2014 mit DIE ZUKUNFT. EINE EINFÜHRUNG ein Sachbuch, das mich zutiefst verstörte. Jetzt erklärt uns Mamczak „die“ Science Fiction auf den 100 kleinformatigen Seiten eines Reclam-Bändchens mit dem unschlagbar komplexen Titel SCIENCE-FICTION. 100 SEITEN (ISBN 978-3-15-020574-7). 102 Seiten später (zwei Seiten mit „Lese- und Filmtipps“ wurden aus der Zählung genommen) weiß ich etwas mehr: Mamczaks Text ist sehr gut durchkonzipiert. Er enthält alles, was ein Kenner als unverzichtbar ansehen würde. Er ist gut lesbar und anschaulich geschrieben (inklusiver einiger Abbildungen und Schautafeln zur Auflockerung). Er betrachtet die Science-Fiction als Medienverbund und legt das Hauptaugenmerk auf die enge Verbindung von Text und Film. In vier Schritten (Grundlagen, Entwicklung, Etablierung, Ausblick) zeigt Mamczak, was es braucht, um die Science-Fiction als genuin künstlerische Darstellung unserer Gegenwart (und Zukunft) zu erkennen. Und er zeigt auch, dass für „die“ Science Fiction weder 100 noch 1000 Seiten noch ein ganzes Leben ausreichen. So macht Zukunft wieder Spaß!

1150 Seiten Umfang hat CORVUS (Goldmann, ISBN 978-3-442-31542-0), der neue Roman von Neal Stephenson, der im Original bereits 2019 erschienen ist. Um die Buchhändler und Journalisten darauf „einzustimmen“, gibt es ein über 80 Seiten starkes „Leseheft“ mit Leseprobe, einem Exklusiv-Interview und einer Zusammenfasssung. Puh! Scheint ja in keine Schublade zu passen. Ich versuch’s mal trotzdem: „William Gibson meets J. R. R. Tolkien oder Engel im Cyberspace“. Stephenson-Fans mögen mir verzeihen.

Am 12. September 2021 wäre der polnische Schriftsteller Stanislaw Lem einhundert Jahre alt geworden. Rechtzeitig dazu gibt es jetzt eine Biografie, die seinen Namen trägt (WBG/Theiss, ISBN 978-3-8062-4248-5, 272 S.) und in der ein Prof. Dr. Alfred Gall mit großem Fleiß alles Wissens­werte zu Leben und Werk des „ dialektischen Weisen aus Krakau“ zusammengetragen hat.



ZITAT

„Gebt mir ein Seilende!“, befahl Corvus. „Und haltet euch gut fest!“ Zufälligerweise waren Seile so ziemlich alles, was ihnen geblieben war.

Neal Stephenson CORVUS (S. 1026)



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