Es ist schon, um den Ausdruck
„eine Ohrfeige für die Konkurrenz“ zu vermeiden, eine starke Demonstration
seiner Fähigkeiten als Poet, Komponist, Songschreiber und Musiker, die uns Bob Dylan mit SPRINGTIME IN NEW YORK
(Columbia Records), der nunmehr 16. Folge seiner „Bootleg Series“, miterleben
lässt. Als Alleinstellungsmerkmal eines Genies hätten ja seine offiziellen fünfzig
Alben ausgereicht, die er seit 1962 veröffentlicht hat. Aber in den fünfzig CDs
mit Outtakes, Varianten und Live-Stücken (also mit Material, das ihm erst mal
als unzureichend für eine Veröffentlichung schien), die er in den letzten
dreißig Jahren „nebenbei“ in den Luxus-Ausgaben der „Bootlegs“ auf den Markt
brachte, steckt so viel tolle Musik, dass damit mehr als ein Dutzend andere
Musiker-Karrieren möglich gewesen wären. Die aktuelle Ausgabe umfasst den
Zeitraum 1980 bis 1985, der von Kritikern gerne als „vergeudet“ angesehen wird,
aber jede einzelne der fünf hier enthaltenen CDs hätte eine Veröffentlichung
als eigenständiges Album gut verkraftet. Dylan bringt nicht nur alternative
Versionen von Altbekanntem zu Gehör, sondern legt auch gleich eine ganze Reihe
von bisher unveröffentlichten Songs vor, die, nicht zuletzt wegen der
herausragenden Begleitmusiker (u. a. Mark
Knopfler, Mick Taylor, Ron Wood, Ringo Starr und als Rhythm-Section Robbie Shakespeare & Sly Dunbar)
sofort Klassiker-Potenzial entwickeln. Und wie nebenbei zeigt der Meister, dass
er durchaus in der Lage ist, andere Musiker anzuerkennen und dies mittels
Cover-Versionen ihrer Lieder auch kundzutun. Musik gegen Herbst-Depressionen.
Die Amerikanerin Kameron Hurley ist mir vor allem wegen
ihrer vorzüglichen Essays bekannt, die regelmäßig im LOCUS-Magazin erscheinen. Hierzulande ist sie noch ein völlig
unbeschriebenes Blatt, weshalb ich mir ihren ersten Roman DER STERNE ZAHL
(Panini, ISBN 978-3-8332-4104-8, 400 Seiten, Klappenbroschur) einfach mal
mitgenommen habe. Knallharte Space Opera ohne Männer: das klingt interessant.
Mal sehen, ob hier das Niveau von Ann
Leckie erreicht wird? Die Widmung auf der ersten Seite lautet jedenfalls: „Für all die brutalen Frauen“!
Wer sich 2017 den Band H. P.
LOVECRAFT – DAS WERK gekauft hat, braucht jetzt auch H. P. LOVECRAFT – DAS WERK
II (TOR, ISBN 978-3-596-70046-2). Erneut herausgegeben und kommentiert von Leslie S. Klinger. Ärgerlich: Halb so
dick, gleicher Preis!
„Als ich 2012 zum ersten Mal die Idee für
diesen Roman hatte, wusste ich, dass es schwer werden würde, ihn an den Mann zu
bringen. Was, du willst ein Weltraumopus nur für Frauen schreiben? Wie
Science-Fiction, nur ohne Männer
drin? Nicht einmal eine Erwähnung von
Männern? […] Meine
Schriftstellerkarriere fühlt sich nach wie vor so an, als würde ich mich mit
einer Taschenlampe in der einen und einem Schwert in der anderen Hand durch
Armeen von mutierten Ratten kämpfen, während ich mich durch ein Labyrinth
bewege, das darauf angelegt ist, meinen Willen zum Weitermachen zu brechen.
Aber bisher war ich in der Lage, genau die Geschichten zu erzählen, die ich
wollte, auf genau die Art und Weise, die ich wollte, und das bereitet mir große
Freude.“
Kameron Hurley – DER STERNE ZAHL (S. 394 f.)