TEMPORAMORES - Newsletter # 358 - 1.7.2022




KURZMELDUNGEN

Bei Golkonda liegt mit Thor Kunkels WELT UNTER (ISBN 978-3-96509-061-3, 527 Seiten, Klappenbroschur) ein spannender Ökothriller (oder auch ein ökologischer Abenteuerroman) vor, dessen Plot dem inzwischen fast ein wenig überbeanspruchten Weltuntergangs-Thema einen überraschenden Twist gibt. Kunkel ändert die Spielregeln nach dem Motto: Wenn sich die Voraussetzungen ändern, müssen auch wir uns ändern. Das in der Mitte des 20. Jahrhunderts so beliebte Mutanten-Motiv erfährt hier (nicht ganz so friedlich-freundlich wie bei Andreas Eschbach vor einiger Zeit) eine Aktualisierung, die auch vor den dunklen Seiten die Augen nicht verschließt. Und am Ende schimmert dann doch ein Hoffnungsfunken für alle Menschen, die sich ein Leben nicht nur „am Meer“, sondern auch „im Meer“ vorstellen können …

Dass die koreanische Literatur hierzulande inzwischen ein recht robustes Standbein besitzt, ist ebenfalls dem rührigen Lektorat bei Golkonda zu verdanken. Der neueste Streich ist der Urban-Fantasy-Episodenroman DAS KAUFHAUS DER TRÄUME (ISBN 978-3-96509-053-8, 275 S., Klappenbroschur) der Südkoreanerin Lee Mi-ye. Nachdem sie ihr „Traumbuch“-Projekt über eine Crowdfunding-Aktion finanziert hatte und online eine große Leserschaft fand, gelang es ihr mit dem gedruckten Buch 2020 unter die meistverkauften Bücher Koreas zu gelangen. Die deutsche Übersetzung von Kyong-hae Flügel liest sich ebenso flüssig, wie das ganze Buch, das von den jeweils auf ihre persönlichen Wünsche zugeschnittenen Träumen erzählt, die den Kunden im „Kaufhaus von Dallergut“ von der tüchtigen Verkäuferin Penny herausgesucht werden. Diese Geschichte, in der Träume wie wertvolle Bücher behandelt werden, „weckte“ mein Interesse, brachte mich zum Träumen und wanderte in meine TraumBuchSammlung.

Brauchen wir wirklich noch eine weitere Ausgabe von H. G. Wells’ ZEITMASCHINE? Diese Frage stellte sich sicherlich auch Dieter von Reeken – und er hat sie, zumindest für sich und seinen DvR-Verlag, mit „ja“ beantwortet. Soeben ist dort im „Doppelpack“ mit Egon Friedells Novelle DIE REISE MIT DER ZEITMASCHINE (ISBN 978-3-945807-69-9) die deutsche Erst­ausgabe der ZEITMASCHINE von 1904 in der Übersetzung von F. P. Greve erschienen. Auf 170 Seiten kann man nun dem Wells’schen Zeitreisenden über das bekannte „offene“ Ende hinaus bei seinen weiteren Reisen folgen. Zudem bietet Friedells Buch (das zwischen 1908 und 1935 geschrieben, aber erst 1948 veröffentlicht wurde) eine satirische Abrechnung nicht nur mit der als ungenügend empfundenen Übersetzung Greves, sondern auch mit dem (damals) noch jungen Wells. Thomas Thiemeyers Titelbild dürfte vor allem phantastisch!-Leser*innen noch in guter Erinnerung sein.



ZITAT

„Übrigens haben Gloria und der Zeitreisende selbstverständlich geheiratet. [Sie] befinden sich gegenwärtig auf der Hochzeitsreise. Wie es dazu kam? Ja, das ist nun wirklich ein Roman; aber den erwarten Sie nicht von mir, denn über Romane denke ich nämlich ähnlich wie Mr. Wells.“

Egon FriedellDIE REISE MIT DER ZEITMASCHINE (S. 166)



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