TEMPORAMORES - Newsletter # 100 - 2006/2007




Liebe Leserinnen, liebe Leser, Sie halten soeben die 100. Ausgabe unseres Newsletters mit „Nachrichten aus der Zukunft“ in Händen. Als wir im Dezember 1999 starteten, damals noch als Druckausgabe mit einer ganz kleinen Auflage, war nicht abzusehen, dass sich TEMPORAMORES einmal zu einem umfangreichen Internetmagazin mit weltweiter Verbreitung entwickeln würde. Viele unserer Leser halten uns seit langem die Treue, unterstützen unsere Arbeit mit Engagement und kritischer Würdigung und stehen mit Rat und Tat an unserer Seite.

Dafür ein herzliches DANKE!

Die folgenden Zeilen sollen der geneigten Leserschaft nicht nur Neuigkeiten vorstellen und einen deutlichen Wissensvorsprung verschaffen, sondern zugleich zur Erbauung dienen, berichten sie doch, mit einem kaum merklichen Augenzwinkern, von den Geschehnissen der nächsten zwölf Monate. Genießen Sie also die „Bilder aus der Zukunft“:


JAHRESRÜCKBLICK 2007

Den Reigen der erfreulichen Ereignisse im Science-Fiction-Jahr 2007 eröffnete die Zeitschrift phantastisch! mit ihrer Nummer 25, einer um 16 Seiten vermehrten Jubiläumsausgabe, die auch qualitativ sehr überzeugen konnte. (Der glückliche Herausgeber Achim Havemann und der Chefredakteur Klaus Bollhöfener strahlten um die Wette, während Glückwünsche aus dem ganzen Universum die Briefkästen von Verlag und Redaktion überschwemmten.) Neben Artikeln von Andreas Eschbach und Achim Schnurrer verdient vor allem die „literarhistorische Studie“ DIE FRAUM IM MOND von Horst Illmer und Matita Leng besondere Erwähnung: Auf über 20 Seiten wird darin untersucht, wo die Science Fiction ohne die Beiträge von Frauen heute stünde – eine wegweisende Pionierleistung.

Fast gleichzeitig erschien das zweite Lexikon aus dem Utopica Verlag: Nessun Saprà legte mit dem LEXIKON DER DEUTSCHEN SCIENCE FICTION UND FANTASY 1919–1932 den Nachfolger seines 2005 veröffentlichten Buches vor, in dem er den Zeitraum 1870 bis 1918 abhandelte (ein Werk, das nur aufgrund dunkler Machenschaften jenen eigentlich verdienten SF-Preis für „herausragende Leistungen“ nicht erhielt, über dessen Schicksal gleich noch zu berichten sein wird). Das Lexikon bescherte seinem Verfasser den ersten „WIRKLICHKEITEN-Award“, der seit 2007 jährlich für das beste sekundärliterarische Werk zur Science-Fiction- und Fantasy-Forschung vergeben wird.

Was uns ganz zwanglos in den Frühling führt. Am 20. April, dem Geburtstag von Kurd Laßwitz, riss eine Pressemitteilung aus Gotha die völlig unvorbereitete SF-Fangemeinde aus dem Winterschlaf: Einer Gruppe von Wissenschaftlern, Lokalpatrioten und echten Liebhabern des Genres war es gelungen, einen Nachfahren des bedeutendsten deutschen Science-Fiction-Autors des 19. Jahrhunderts ausfindig zu machen, und diesen davon zu überzeugen, dass die bisherige Vergabe von SF-Preisen in Deutschland nicht unbedingt im Geiste seines Ahnherren erfolgte. Deshalb wurde TEMPORAMORES beauftragt, ab 2007 die neu geschaffenen SF- und Fantasy-Preise zu verleihen. Sie werden in den Kategorien Science-Fiction-Roman („ASPIRA-Award“), Fantasy-Roman („STERNENTAU-Award“), Kinder- und Jugendbuch („HOMCHEN-Award“), Kurzgeschichte („SEIFENBLASEN-Award“), Film/Theater/Hörspiel („TRAUMKRISTALLE-Award“), Sekundärwerk („WIRKLICHKEITEN-Award“) und Sonderpreis der Jury („SCHLANGENMOOS-Award“) vergeben.
In Anlehnung an die bekannte „Science Fiction Hall of Fame“ soll außerdem unter der Bezeichnung BILDER AUS DER ZUKUNFT in jedem Jahr ein historisches Meisterwerk der deutschen Science Fiction, Fantasy oder Phantastik und/oder ein deutschsprachiger Autor ausgezeichnet werden. Damit soll auch bei uns eine „Ruhmeshalle“ der utopisch-phantastischen Literatur etabliert werden.
Unter dem Motto „Kampf der verdorbenen Schundliteratur und ihren Verbreitern“ werden zudem einzelne Werke oder Personen mit dem „NIE-UND-NIMMER-Award“ für ungenügende Leistungen „ausgezeichnet“. Da man sich vor allem von letzterem eine deutliche Qualitätssteigerung bei den in deutscher Sprache veröffentlichten Werken verspricht, ist keine zahlenmäßige Limitierung der Preise vorgesehen. Die Preisträger werden am 17. Oktober jeden Jahres bekannt gegeben, im Gedenken an den Sterbetag von Laßwitz.

Natürlich erfreuten auch im Jahr 2007 wieder viele neue Bücher die Herzen der Leserschaft, wobei es beim Trend der letzten Jahre blieb und der Umfang der Werke eher noch zunahm. Weit über 1000 Seiten hatten zum Beispiel die Romane von Thomas Pynchon (AGAINST THE DAY), George R. R. Martin (A SONG OF ICE AND FIRE 5), Neal Stephenson (THE END OF THE WORLD SYSTEM), Stephen King (THE RETURN OF THE GUNSLINGER AND THE FALL OF THE TOWER, dt. Ausgabe als RUINS) und J. K. Rowlings Abschlussband der HARRY POTTER-Reihe (wobei der allgemein bekannte Skandal um dessen Veröffentlichung hier ja nicht mehr aufgerollt zu werden braucht).

Allerdings gab es auch ein paar Autoren, die ein Einsehen mit ihren Fans hatten und lesenswerte Romane veröffentlichten, die man noch mit einer Hand heben konnte: China Miéville präsentierte im März sein erstes Jugendbuch, UN LUN DUN, das er auch gleich selbst illustrierte (und sich damit als Multitalent outete). Christopher Tolkien brachte eine Geschichte seines Vaters J. R. R. Tolkien auf Buchlänge und erfreute die Liebhaber Mittelerdes mit der Herausgabe von DIE KINDER VON HURIN. Die unbestrittene Meisterin des Geschichtenerzählens, Ursula K. Le Guin, legte POWERS vor, den aufwühlenden Abschlussband ihrer „Books of the Western Shore“-Trilogie. Den unvermeidlichsten Bestseller des Jahres lieferte Michael Crichton, dessen neuer Roman, NEXT, nahtlos an frühere Erfolge anknüpfte. Eine ebensolche Verkaufsgarantie war der Name Stephen Kings auf einer Comic-Mini-Serie bei Marvel, die sich mit der Vorgeschichte zum „Dark Tower“-Zyklus beschäftigte.

Die deutsche Flagge im Lager der Erfolgsautoren hielt einmal mehr Andreas Eschbach hoch. Seine „wiederentdeckte“ Kurzgeschichte aus dem HAARTEPPICHKNÜPFER-Universum „Die Wiederentdeckung“ kam bei Lübbe-Audio als Hörbuch auf den Markt. Der Autor strafte sich anschließend selbst Lügen mit dem Titel seines neuen Romans: Er erwies sich dabei als überhaupt nicht AUSGEBRANNT.

Das literarische Nachleben von Philip K. Dick führte zu einer wahren Titelflut. Ausgestattet mit einem Vorwort von Jonathan Lethem wurde eine Sammlung von vier Romanen Dicks in die renommierte Reihe „Library of America“ aufgenommen. Zudem wurde ein bisher unveröffentlichter Text aus dem Nachlass als Buch unter dem Titel VOICES FROM THE STREET erstveröffentlicht. In der Edition Phantasia brachte man (streng limitiert) einen Band mit einem Interview und Begleitmaterial heraus und auch Heyne führte seine Dick-Werkausgabe weiter.

Allen Hindernissen zum Trotz (auch der Geschichte des Power(„Bauer“)-Kapitalismus muss nichts mehr hinzugefügt werden) schaffte es die Reihe der PERRY RHODAN-Silberbände zur Nummer 100! Als besondere Überraschung fasste das Buch unter dem beziehungsreichen Titel DIE TERRANERIN die Handlung der Bände 750 bis 2500 zusammen, sodass man die Heftserie jetzt überholt hat und die Autoren ihre neuen Romane in Zukunft als Bucherstveröffentlichung genießen können – ein Schachzug, der weltweite Beachtung fand und sicherlich auch bei der Schwedischen Akademie gehörigen Eindruck hinterließ (dem Vernehmen nach schwankte man dort lange zwischen Rowling und Rhodan, bevor dann doch Roth den Nobelpreis erhielt).

Die Highlights des phantastischen Kinos 2007 waren der fünfte HARRY POTTER-Film (vor allem „Hermione“ spricht immer mehr auch das erwachsene Publikum an), die Nachrichten über die Dreharbeiten zu ATLAS SHRUGGED (dessen weibliche Hauptrolle Angelina Jolie übernommen hat) und die Ankündigung des siebten SIEBEN ZWERGE-Films (diesmal mit Otto und dem Ensemble der Münchner Lach- und Schießgesellschaft).

Die Vollversammlung der TEMPORAMORES-Herausgeber und -Mitarbeiter hat sich endlich durchgerungen, im Jahr 2007 einen neuen TEMPORAMORES-Sonderband auf den Markt zu bringen. Nachdem man beim letzten Mal vor allem über die „Herren der Schöpfung“ hergezogen war, stellte man jetzt die Damen in den Mittelpunkt. Die Sonderausgabe 2007 ist „den Herrscherinnen über Zeit und Raum“ gewidmet und wieder von Herrmann Ibendorf herausgegeben.



ZITATE

„Ach, das war Günter Jauch? Ich dachte, Sabine Christiansen hat einen neuen Friseur.“

Harald Schmidt über die erste Sonntagabend-Sendung von Jauch im ERSTEN

 

„Ohgottogottogottogottogott!!!!“

Der bisherige Treuhänder am 20.4.07

 

„Und eigentlich ist jeder Tag schwer. Das Leben ist schwer, wenn man nicht schreibt. Es ist auch schwer, wenn man nicht schreiben kann. Und schwer ist es auch dann, wenn man schreibt, denn schreiben ist sogar sehr schwer.“

Orhan Pamuk, Literaturnobelpreisträger 2006, „Selbstporträt“ (FAZ vom 7.12.06)




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