Eine wahrhaft bemerkenswerte Neuerscheinung
ist zu vermelden: Der in Oberhaid (Oberfranken) ansässige neue Spezialverlag
Utopica (www.utopica.de) hat als Band 1
seiner Reihe „Materialien und Untersuchungen zur Utopie und Phantastik“ ein
LEXIKON DER DEUTSCHEN SCIENCE FICTION UND FANTASY 1870–1918 (ISBN
3-938083-01-8, DIN A 5, Pappband) veröffentlicht. Verfasser ist der bekannte
Kurzgeschichtenautor und Literaturforscher Nessun Saprà, dessen Storys und
Artikel in diversen Magazinen (z. B. phantastisch!) und im Internet
erscheinen.
Anders als bei den (wenigen) vergleichbaren Vorläufern setzt der Autor im LEXIKON DER
DEUTSCHEN SCIENCE FICTION UND FANTASY 1870–1918 bewusst sehr enge Grenzen für
sein Nachschlagewerk. Es wurde (ganz pragmatisch) ein vergleichsweise kleiner
Zeitraum von nicht einmal 50 Jahren gewählt, zudem sind nur deutschsprachige
Autoren und Werke verzeichnet. Dafür löst sich Saprà aber von der bisher
üblichen Beschränkung auf längere Prosawerke.
Dieses Lexikon befasst sich auf seinen 314 Seiten ausführlich nicht nur mit den
„üblichen Verdächtigen“ (Laßwitz, Grunert, Dominik) und ihren großen Romanen,
sondern auch mit bildenden Künstlern (Fidus, Heinrich Vogeler), Filmschauspielern
(Harry Piel), Liedertextern (Otto Reutter), Dichtern (Morgenstern) und
Verlegern (Münchmeyer, Georg Müller). Ebenso weitgefasst sind die untersuchten
Texte: Theaterstücke, Lieder, Gedichte, Kurzgeschichten, Novellen, Anthologien
– einfach jede Form der literarischen Beschäftigung mit der Fantasy und Science
Fiction wurde berücksichtigt.
Durch diese programmatische Herangehensweise machte es sich der Autor natürlich selbst
schwer, da es praktisch keine verwendbaren Vorarbeiten gab. So musste der Großteil
der Primärliteratur selbst eingesehen und akribisch bibliographiert werden. Wie
das über 30 Seiten lange Verzeichnis der Sekundärliteratur belegt, gingen die
„Grabungsarbeiten“ dabei teilweise weit über das Erwartbare hinaus. Den Leser
und Benutzer freut’s, kann er sich hier doch auf ein Werk stützen, dessen
inhaltliche Qualität sehr hohe Maßstäbe für eventuelle Nachfolger setzt.
Neben den etwa 400 Personaleinträgen finden sich Besprechungen von nahezu 800 Werken. Dazu kommt
eine umfangreiche Aufarbeitung der anonymen und pseudonymen Titel, die oftmals
ihren „realen“ Verfassern zugeordnet werden konnten. Vielfältige Verweise
sichern den raschen Zugriff auf die Artikel, die, alphabetisch nach Realnamen
sortiert, folgende Gliederung haben:
Name, biographische Daten, Bemerkungen zu Leben und Werk, Bibliographie der einschlägigen
Veröffentlichungen (Erstausgaben, Vorabdrucke und aktuelle Nachauflagen), Verzeichnis
der Sekundärliteratur zu Autor und Werk und anschließende Besprechung der
herausragenden Einzelveröffentlichungen.
Mit dem LEXIKON DER DEUTSCHEN SCIENCE FICTION UND FANTASY 1870–1918 hat Nessun Saprà einen echten „Kracher“
veröffentlicht, der in keiner ernstzunehmenden Handbibliothek fehlen darf.
Hoffentlich erfährt das Buch die verdiente Aufmerksamkeit und den nötigen
ökonomischen Erfolg, damit weitere Bände erscheinen können. Zu forschen gibt es
in der Geschichte der Science Fiction jedenfalls noch genug!
„Und
ist das Buch auch noch so klein, / So paßt doch noch ein Fehler rein.“ (Gerd
Haffmans’ Merkvers für frustrierte Autoren. Zitiert nach: Harry Rowohlt
– DER KAMPF GEHT WEITER! Kein & Aber, 2005, S. 421, wo derselbe denselben
auch für die Verwendung im englischsprachigen Schriftverkehr in eben jene
Sprache hinübersetzt: „Books, how ever thin and small – / One typo more fits
in ’em all.“
(Natürlich ohne jeden Bezug auf das
oben vorgestellte Werk)